DIE TERRORANSCHLÄGE IN ALGERIEN SIND EINE WARNUNG FÜR EUROPA : Neue Außenstelle der Dschihadisten
Nach den Selbstmordanschlägen auf den Sitz des Ministerpräsidenten und ein Polizeirevier in Algier ist viel vom Scheitern der Aussöhnungspolitik von Präsident Bouteflika die Rede. Es sei an der Zeit, hart durchzugreifen, statt den Islamisten die Hand auszustrecken, so der Tenor in Algerien.
Sicher ist es für viele Algerier unerträglich zu sehen, wie tausende von Islamisten in die Zivilgesellschaft zurückgekehrt sind. Sicher ist auch die Politik von Bouteflika und seines Ministerpräsidenten Abdelaziz Belkhadem, die sich dem islamischen Konservatismus angenähert haben, inakzeptabel für diejenigen, die ihr säkulares Leben auch in den blutigen Jahren des Terrors nicht aufgegeben haben. Doch es greift zu kurz, die Bomben von Algier auf die Aussöhnungspolitik zu schieben.
Die Gewalt, die Algerien jetzt heimsucht, hat nur wenig mit jenem grausamen Bürgerkrieg zu tun, den das Land nach 1992 durchlebte. Damals ging es der islamistischen Bewegung um die Erringung der Macht, die ihr durch den Militärputsch verwehrt wurde. Dieser Konflikt fand mit der Aussöhnungspolitik von Präsident Bouteflika sein Ende.
Den Bombenlegern von Algier geht es dagegen um den internationalen Dschihad. Dafür spricht das Mittel des Selbstmordattentats wie auch der Name der Gruppe, die sich al-Qaida des Maghreb nennt. Ihnen schwebt ein islamisches Reich von Jerusalem bis Südspanien vor. Für diese Kämpfer sind Palästina, Irak oder Afghanistan wichtiger als die algerische Innenpolitik.
Dass sie sich dennoch auf Algerien konzentrieren, dürfte eher taktische Gründe haben. Hier verfügen diese Gruppen seit dem blutigen Bürgerkrieg in den Neunzigerjahren über eine ausgedehnte Sympathisantenszene. Von Bosnien und Afghanistan bis zum Irak – stets waren algerische Dschihadisten dabei. Heute haben sie selbst die Rolle der Ausbilder übernommen. In den Bergen und der Sahara besitzen sie eine breite Infrastruktur, in denen sie ungestört ihr blutiges Wissen weitergeben können. Wo sie es dann zum Einsatz bringen, entscheidet die politische Konjunktur.
Die Bomben von Algier zeigen: Vor den Toren Europas entsteht ein gefährlicher Ableger eines internationalen Terrornetzwerks. REINER WANDLER