DIE STIMMEN DER ANDEREN :
■ Beschneidung I: Braunschweiger Zeitung
Abwegiger Holocaust-Vergleich
Vergleiche sollen das eigene Anliegen unterstreichen, sie sollten aber stimmen. Den Holocaust in einem Atemzug mit dem Kölner Urteil zu nennen, tut weh – und zwar allen. Es verharmlost die millionenfachen Gräueltaten an den Juden und stellt die bundesrepublikanische Justiz in eine Reihe mit den Schergen, die in Hitler-Deutschland „Recht“ sprachen. Und der Satz missversteht diejenigen, die das Urteil stützen. Das tun sie nicht, um Muslime oder Juden in der Ausübung ihrer Religion einzuschränken, sondern weil sie der Ansicht sind, ein Mensch müsse selbst entscheiden können, ob an seinem Körper ein operativer Eingriff erfolgt, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Dieses Vermögen hat ein Baby noch nicht.
■ Beschneidung II: Süddeutsche Zeitung
Ohne Not Unfrieden geschaffen
Strafe soll dem Rechtsfrieden dienen; wenn er verletzt wurde, soll das Urteil helfen, ihn wiederherzustellen. Das Kölner Urteil zur Beschneidung hat das Gegenteil bewirkt; es hat ohne Not Unfrieden in die Gesellschaft getragen. Es hat gläubige Juden und Muslime zu Rechtsbrechern erklärt. Es hat, akkurat, aber gefühllos, aus Beschneidern Täter und aus Beschnittenen Opfer gemacht. Das Urteil ordnet Beschneidungen ein in eine Kategorie, zu der auch Prügel gehören. Das beschnittene Kind wird dem verprügelten gleichgestellt. Prügel sind Herabwürdigung, sie machen das Kind zum Objekt des Zorns des Prüglers. Beschneidung ist Würdigung: Sie macht das Kind zum Subjekt des Glaubens, bedeutet den Eintritt in die Gemeinschaft.
■ Frankfurter Allgemeine Zeitung
Assads Regime weiter geschwächt
Es wäre übertrieben, zu sagen, um Baschar al-Assad würde es schon eng; doch dass nun in der Person von Nawaf Fares ein wichtiger Diplomat Syriens, der zuletzt Botschafter im Irak war, abgesprungen ist und sich der Opposition zugesellt hat, könnte ein weiterer Schritt im Prozess des Regimezerfalls sein. Wenn so etwas geschehe, heißt es allgemein, sei dies der Anfang vom Ende eines Systems. Es stünde ohnehin schon weitaus schlechter um die Herrschaft Baschar al-Assads und der Seinen, wenn nicht deren wichtigster Verbündeter, Russland, so entschlossen zu ihnen hielte. Auch jetzt ist im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen leider keine Einigkeit erzielt worden. Auf das Veto der Russen kann sich das Damaszener Regime ziemlich blind verlassen.
■ El País (Spanien)
Spanien steht am Abgrund
Zu den von der spanischen Regierung angekündigten drastischen Sparmaßnahmen in Höhe von bis zu 65 Milliarden Euro schreibt die Zeitung: „Ministerpräsident Mariano Rajoy hat gestern ein Sparpaket großen Ausmaßes angekündigt, um den Weg in den Abgrund zu verlassen, den Spanien seit zu vielen Jahren gegangen ist. Die wirtschaftspolitischen Fehler und die Unzulänglichkeit der versuchten Finanzreformen hatten Spanien nicht von diesem Weg abgebracht. Niemand kann versichern, dass die von Rajoy angekündigten bitteren, aber notwendigen Maßnahmen das Desaster verhindern können. Die späten Initiativen bilden jedoch insgesamt einen Plan, dessen Erfolg davon abhängen wird, ob die Regierung fähig sein wird, einen Pakt mit der Opposition zu schließen.“
■ De Telegraaf (Niederlande)
Annan-Plan für Syrien ist gescheitert
Die Zeitung bezweifelt, dass Syrien-Vermittler Kofi Annan Erfolg haben kann: „Angesichts des Fehlens von Alternativen bekennt sich die internationale Gemeinschaft immer noch zum Annan-Plan. Wegen des Vetos von Russland und China können dem syrische Regime nicht mit UN-Sanktionen die Daumenschrauben angelegt werden. Weder von diesen zwei Ländern noch vom Westen ist ein militärisches Eingreifen zu erwarten. Daher bleibt nur, im alten Trott weiterzumachen, wobei Annan als Schachfigur benutzt wird, um den Eindruck zu erwecken, dass etwas unternommen wird. Die Frage ist, wie lange sich Annan dafür hergibt. Er ist nun seit fünf Monaten ergebnislos im Einsatz. In den letzten Wochen gab es nur immer mehr Gewalt. Es sieht nicht danach aus, dass er die richtige Person ist, um einen Durchbruch zu erreichen, falls dies überhaupt möglich ist.“
Quelle: europtopics, taz