DIE STIMMEN DER ANDEREN :
■ Independent (Großbritannien)
Gefahren unter der Erde
Die chilenische Regierung hat eine Menge Geld in die Rettungsaktion gesteckt. Auch die Mittel für das staatliche Büro für die Sicherheit in den Bergwerken wurden aufgestockt. Doch es gibt Zweifel, ob die Gelder auch nach dem Abzug der internationalen Medien weiterfließen. Es wurden auch Zweifel laut, ob die Rettungsaktion so energisch betrieben worden wäre, wenn statt 33 Kumpel nur einige wenige Bergleute eingeschlossen worden wären. Die meisten Bergleute der Mine San José werden wieder hinabsteigen, weil es für sie kaum eine andere Verdienstmöglichkeit gibt. Arbeit in den Minen wird immer gefährlich bleiben. Doch wir können zumindest Druck auf Minenbesitzer und Regierungen ausüben, damit die Sicherheit der Minenarbeiter nicht vernachlässigt wird.
■ ABC (Spanien)
Das moderne Lateinamerika
Alle Achtung, Chile! Mit der Episode der Minenarbeiter hat das Land der Welt eine Lektion in Effizienz, Mut, Hoffnung und Durchhaltevermögen erteilt. Und Piñera erweist sich als Präsident von Format. Es gibt ein anderes Südamerika, jenseits der bolivarischen Caudillos und eingebildeten Demagogen. Ein ernsthaftes Amerika, das seine Entwicklung auf dem Weg in die westliche Moderne sucht. Länder, in denen sich die politische Mitte als demokratischer Fortschritt durchgesetzt hat: das Brasilien von Lula, das Kolumbien von Uribe und Santos, das Chile von Frei, Bachelet und Piñera. Sozialdemokratische Linke und liberale Rechte, ruhiger Wechsel, höflicher Pragmatismus. Konstruktive Demokratien, die Standards für effiziente Politik setzen, ohne absurde Paramilitärs und allgegenwärtige Korruption.
■ Dernières Nouvelles d’Alsace (Frankreich)
Besser als Kino
Die unverhoffte Rückkehr dieser wie durch ein Wunder Geretteten hat eine weltweite Welle der Solidarität ausgelöst, die sogar die hektische Aktivität der etwa 1.000 internationalen Journalisten vor Ort übertroffen hat. Um diese unglaublichen Fernsehbilder hat sich eine seltenes und einzigartiges Phänomen des Zusammenhalts gebildet. Der Gesichtsausdruck dieser Männer, die aus einem lebensfeindlichen und bedrohlichen Untergrund heraufgestiegen sind, ähnelt dem Ausdruck in unseren Gesichtern, wenn wir das Gefühl haben, dem Schicksal ein Schnippchen geschlagen zu haben. Kino ist oft schöner, intensiver und tragischer als die Realität. In diesem Fall war es umgekehrt. Nach dem glücklichen Ausgang kommen die Fragen. Was nun? Die Rückkehr zur monotonen Normalität verlangt auch, die Vorsichtsmaßnahmen zu verbessern. Wenn nur ein Teil des Geldes, das für die Rettung ausgegeben wurde, in mehr Sicherheit investiert worden wäre, hätte es dieses Unglück möglicherweise nie gegeben.
■ Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)
Schlechte Berichterstattung
Im Zeitalter der globalen Unwägbarkeiten feierte sich eine Nation als letzte Retterin. Und die Journalisten schwelgten in Emotionen. Weit offen waren zudem die Medienkanäle für die Seelen-Experten. Diese wussten erstaunlicherweise schon vor der Bergung der Mineure, wie es den so lange Eingeschlossenen in den kommenden Tagen und Monaten gehen wird. Die Medienwelt versinkt im Subjektivismus und in der Spekulation. Zweifellos darf man sich über die Leistungen der Technik und den Tag der Befreiung freuen. Die Diskrepanz zwischen informationellem Mehrwert und technisch-logistischem Aufwand seitens der Medienhäuser bleibt jedoch grotesk. Die Ressourcen fehlen dann dort, wo es um weniger spektakuläre, aber dennoch wichtige Themen geht.
■ Lidové noviny (Tschechien)
Mahnung an die Chinesen
Wir werden in Chile Zeugen davon, mit welcher Entschiedenheit die westliche Zivilisation Wert auf das Leben Einzelner legt. Wir sehen, wie für die Rettung von 33 Menschen etwas getan wird, das sich weder wirtschaftlich rechnet noch für das Überleben unserer Art bedeutsam ist. Unsere Zivilisation wird derzeit wirtschaftlich, finanziell und technologisch von China beherrscht. Wenn man den Chinesen trotzdem etwas empfehlen könnte, dann das: den Wert des Einzelnen zu achten. Was das heißt, erlebt dank der Chilenen gerade die ganze Welt.
QUELLEN: NZZ, AFP, DPA, EUROTOPICS. FOTO: REUTERS