DIE STIMMEN DER ANDEREN :
■ Süddeutsche Zeitung (München)
Wowereit über Schröders Basta-Stil
Der jüngste Eindruck: Klaus Wowereit wollte gar keine rot-grüne Koalition in Berlin, er war und ist auf ein rotschwarzes Bündnis aus, weil dieses für ihn viel bequemer ist. Er hatte keine Lust, mit den Grünen als einem halbwegs gleichberechtigten Partner zu verhandeln und zu regieren. Der Regierende Bürgermeister hat wohl das Gefühl, sich im Wahlkampf schon genug angestrengt und sich damit ein Recht auf ein kommodes Regieren erworben zu haben. In den kurzen Gesprächen kopierte er den Basta-Stil des früheren rotgrünen Kanzlers Gerhard Schröder und verschärfte ihn noch. Aus dem eigentlich erwarteten bundesweit wirksamen Berliner Signal für Rot-Grün ist so nichts geworden. Der Bär will sich beim Honiglecken von den Bienen nicht stören lassen.
■ Märkische Allgemeine Zeitung (Potsdam)
Konsequenter Verzicht auf Regierung
Es lag in der Luft, dass aus diesem Bündnis nichts werden konnte. Allein beim Thema Stadtautobahn gab es bis zum Schluss zwischen SPD und Grünen erhebliche Differenzen. Mag sein, dass der starke Mann der Berliner Grünen, Fraktionschef Volker Ratzmann, zu hoch gepokert hat, als er den Weiterbau der A 100 zum Knackpunkt der Koalition hochstilisierte. Wenn das 3.200 Meter lange Asphaltband wirklich nicht mit dem grünen Gewissen zu vereinbaren ist, dann sollte man auf den Platz in der Regierung verzichten. Das ist konsequent. Einem Weiterbau um lediglich 900 Meter zuzustimmen, wäre ein reichlich lächerlicher Kompromiss geworden.
■ Stuttgarter Zeitung (Stuttgart)
Wowereit steht nicht für Zukunft
Sowohl die Mehrheit der Partei als auch die Mehrheit der SPD-Wähler wollten Rot-Grün. Nun muss Wowereit ein Bündnis anstreben, das nicht einmal in den eigenen Reihen beliebt ist. Im Abgeordnetenhaus wird ihn eine rein linke Opposition unter Druck setzen können. Und kommt es im Bund 2013 zu einem Lagerwahlkampf, wird es jedenfalls nicht Klaus Wowereit sein, der in der SPD für eine rot-grüne Zukunft steht.
■ Der Standard (Wien)
Rot-Grün kein Schlafwagen
Aber möglicherweise möchte Wowereit, der ja auch als SPD-Kanzlerkandidat gehandelt wird, sein Repertoire erweitern und nicht mehr nur auf die linke Ecke beschränkt werden. Eine Lehre jedenfalls kann man aus dem Scheitern der rot-grünen Verhandlungen in Berlin für den Bund ziehen. Mag sein, dass es für Schwarz-Gelb bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr reicht. Aber das heißt noch lange nicht, dass Rot-Grün deshalb im Schlafwagen ins Kanzleramt fahren kann.
■ Frankfurter Rundschau (Frankfurt am Main)
Wowereit verstehen ist schwierig
„Berlin verstehen“, wie es Klaus Wowereits SPD so erfolgreich im Berliner Wahlkampf zum Slogan erhoben hatte, ist seit Mittwoch nicht einfacher geworden. Glaubt man den Bildern, die unmittelbar nach dem Platzen der rot-grünen Koalitionsverhandlungen aufgenommen wurden, dann waren insbesondere die Berliner Grünen auf ein plötzliches Scheitern nicht vorbereitet. Es sind Szenen der Ratlosigkeit und wohl auch versteckter Wut. Die Gründe fürs Scheitern sind vielfältig und wahrscheinlich haben sie nur sehr wenig mit jenem Stück Stadtautobahn zu tun, die über den Bezirk Neukölln hinaus bis nach Treptow verlängert werden soll. Die politische Szene Berlins übt sich nun in der schwierigen Disziplin ‚Wowereit verstehen‘.
■ Neue Westfälische (Bielefeld)
Keine Kanzlerkandidatur
Warum soll man sich anstrengen, wenn es auch bequem geht? Klaus Wowereit hat sich den Mühen einer Zwei-Stimmen-Mehrheit mit den Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus entzogen. Bei Rot-Grün wäre der Bürgermeister immer erpressbar gewesen, er hätte für seine Politik werben und sich anstrengen müssen. Mit diesem Schlussstrich hat Wowereit aber auch die Hoffnungen der Linken in der Bundes-SPD endgültig zunichtegemacht, er könne bei der Bundestagswahl seine Partei als Kanzlerkandidat anführen.