DIE REGULIERUNG AUF DEM STROMMARKT HINKT DER REALITÄT HINTERHER : Provinzielles Denken – europaweit
Auch Tage nach dem Riesen-Blackout in Europas Stromnetz rätseln die Experten über die Ursachen. Das Gestochere im Nebel erinnert an eine Provinzposse: Mal ist die Hochspannungsleitung im Emsland, dann die Windkraft, vielleicht aber auch eine allzu starke Nachfrage aus Frankreich schuld. Genaues weiß man nicht. Das armselige Bild der Ursachenforschung spiegelt die Realität der Strom-Fürstentümer: Obwohl das Geschäft mit dem Strom längst europaweit funktioniert, haben weder die Aufsicht noch der Informationsaustausch auf den Strommärkten damit Schritt gehalten.
Der Blackout vom Wochenende hat gezeigt, welches Risiko es bedeutet, wenn Energieversorger kaum über den Tellerrand ihres eigenen Netzgebietes hinausschauen. Die fehlenden Informationen über die Versorgungslage in anderen Netzgebieten kann zu fatalen Kettenreaktionen führen. Die nötigen Daten sind zwar vorhanden, doch die individuellen Gewinninteressen der Stromversorger verhindern, diese Daten europaweit preiszugeben. Das mag aus der Sicht der Stromversorger nachvollziehbar sein – gesamtwirtschaftlich birgt dieses Verhalten jedoch unkalkulierbare Risiken neuer Blackouts.
Es ist an der Zeit, dass die Politik das Ende der Kleinstaaterei auf dem Energiemarkt einläutet. Dazu gehört ein europaweites Informationssystem, das minutengenau über die Auslastung der europäischen Netzknoten Auskunft gibt. Denn längst sind auch die Energieversorger keine regionalen Versorger mehr, sondern global agierende Konzerne, die aus diesem Mangel an Transparenz Kapital schlagen. Allerdings ist das Erreichen einer solchen Transparenz ein langfristiges Ziel.
Bis dafür die nötigen rechtlichen Grundlagen europaweit verankert sind, wird es wohl noch Jahre dauern. Zu stark ist die Macht der europäischen Energiekonzerne, sich solchen Vorhaben zu widersetzen. Einen wichtigen ersten Schritt wird die Europäische Wettbewerbskommissarin Nelie Kroes nächstes Jahr starten. Ihr erklärtes Ziel: Kroes will die Machtoligopole der Energiekonzerne zerschlagen. Das ist nötig, um den Spielchen der Energiekonzerne auf Kosten der Verbraucher ein Ende zu setzen. TARIK AHMIA