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Archiv-Artikel

DIE RAF-AUSSTELLUNG IM DEUTSCHEN HISTORISCHEN MUSEUM, TÄTOWIERENDE WAFFELBÄCKER UND IDEENKLAU BEI DEN FOOD-BLOGGERN Christian Klar und die Kleingärtner

JURI STERNBURG

Die Kultur des Abendlandes ist ja dem ein oder anderen beratungsresistenten Kleingärtner zufolge massiv bedroht, also schnell noch mal ins Deutsche Historische Museum, bevor auch dort morgen eine Moschee gebaut wird. Wir nehmen lieber ein Taxi; nicht dass es schon zu spät ist, wenn wir ankommen und bereits der Muezzin ruft. „Wir wollen zur RAF“, sage ich an der Kasse und erhoffe mir wenigstens einen kleinen Schmunzler, aber nichts da, die alte Dame hinter dem Tresen möchte heute nicht lachen. Vielleicht weiß sie schon, dass sie morgen vollverschleiert zur Arbeit erscheinen muss. „7 Euro macht das.“

Ich spare mir den noch flacheren Witz, dass dies aber selten günstig sei für die Mitgliedschaft in einer Organisation wie der Roten Armee Fraktion, und zahle wortlos. Kurz darauf stellt sich heraus: Für eine Ausstellung dieser Qualität ist der Preis eindeutig zu hoch angesetzt. Ein paar bewegte Bilder der allseits beliebten „Prügel-Perser“ vom Schahbesuch, die man jede zweite Nacht auf N24 sehen kann, ein wenig Dieter Kunzelmann und dann quasi schon Baader und Meinhof. Ein engagierter Mittzwanziger, der hier offensichtlich arbeitet, läuft an den Schaukästen vorbei und sagt Sätze wie: „Es gibt da durchaus Zweifel an der offiziellen Version, im Endeffekt wurde aber alles aufgeklärt.“ Na, dann ist ja gut.

Wer also schon immer mal sehen wollte, wie ein Polizeihelm in den frühen 70ern oder der selbst gebaute Pizzaofen von Christian Klar aussah, der ist hier richtig. Viel größer als ein Pizzaofen ist der Raum auch nicht, auf dem Weg zum Ausgang darf man dann noch ein Motorrad sowie eine verbeulte Autotür begutachten. Irgendwie unbefriedigend. Vielleicht doch besser, dass das hier bald ein Gotteshaus wird, da muss man wenigstens nichts zahlen, um sich halbwahre Geschichten aus der Vergangenheit anhören zu können.

Die sieben Euro müssen jetzt irgendwie wieder reingeholt werden. Also auf zum neuesten Hotspot der bärtigen Wollmützenträger, dem Food Market in der Revaler Straße. Dort soll es einen Waffelstand geben, der von einem befreundeten Tätowierer betrieben wird, ganz logisch. Aber erst einmal heißt es Schlange stehen, man zahlt nämlich Geld, um dann drinnen Essen zu dürfen. Im Inneren der bis vor Kurzem noch leer stehenden Industriehallen tummeln sich all diese Menschen, die ihr Essen in sozialen Netzwerken posten und nur Sojamilch vertragen. Wir wollen lieber nicht unangenehm auffallen und fotografieren schnell unsere Waffeln mit Speck und Ahornsirup.

Physisch gestärkt und auch psychisch erholt, werden weitere Pläne geschmiedet. Doch damit sind wir nicht allein. Am Nebentisch unterhält sich eine Gruppe kreativer Jünglinge über den besten Namen für ihre neue Website. Es geht um Essen, welch Überraschung. Äußerst laut und penetrant werden Namensvorschläge in den Raum geworfen und notiert. In gewissen Momenten wird man dann plötzlich selber zum wütenden Kleingärtner, und dementsprechend tauschen wir Blicke aus, die sagen sollen: „Mein Gott, sind wir genervt.“

Welcher Gott das jetzt im Speziellen ist, spielt dabei eher keine Rolle. Im Hintergrund werden weiter Ideen für Webadressen ausgetauscht. Meine Begleitung jedoch wird uns den Abend retten. Ganz ruhig steht sie auf, stellt sich an den Tisch der nervigen Food-Blogger, legt eine Visitenkarte auf den Tisch und sagt: „Ich hab euch die ganze Zeit zugehört und mir die Rechte an sämtlichen eurer Ideen gesichert. Falls ihr die Namen zurückkaufen wollt, hier ist meine Telefonnummer.“