DIE POLIZEI WARNT : Werktags anrufen
Seit einiger Zeit beschleicht mich das Gefühl, dass in meiner weiteren Nachbarschaft in Friedrichshain längst nicht mehr nur Touristenhorden ihr Unwesen treiben, sondern auch immer mehr böse Menschen. Erst hatte mir der alte Drucker in der Samariterstraße, den ich einmal interviewt habe, erzählt, dass ein Geschäftsinhaber auf der gegenüberliegenden Straßenseite sich das Leben genommen habe, nachdem ihm der Mietvertrag gekündigt worden war. Dann las ich in der Zeitung, dass in der Scharnweberstraße ein neugeborenes Baby ausgesetzt wurde. Und dann drangen böse Menschen in das Haus in der Boxhagener Straße ein, in dem ich wohne.
An der Eingangstür war ein Hinweisblatt der Ordnungshüter. „Die Polizei Berlin bittet um Ihre Mithilfe“, las ich auf einem Aushang des Polizeipräsidenten. In roten Buchstaben wurde auf Deutsch gewarnt: „Achtung Einbrecher!“. Es folgten Warnungen auf Türkisch: „Dikkat!“, Russisch: „Ostoroschno!“, und Englisch: „Attention! Burglars!“ Und dann kam’s: „In Ihrem Haus wurde am 2. April eingebrochen.“
Ich bekam einen Schreck. „Wenn Sie verdächtige Beobachtungen gemacht haben oder Hinweise zu den Tätern geben können“, bat der Polizeipräsident, „rufen Sie uns werktags an. Schützen Sie sich vor Einbruch!“ Hä?, fragte ich mich, und wenn jemand an einem Wochenendtag oder Feiertag verdächtige Beobachtungen macht?
Mich beschlich ein seltsames Gefühl. Mir fiel wieder dieser seltsame Typ ein, verhuscht und den Blick nach unten, den ich wenige Tage zuvor im Hauseingang gesehen hatte. Die Haustür ist, wie auch die Hoftür, oft offen. Ich erinnerte mich, wie ich noch dachte: Was für ein komischer Typ. Der wird doch nicht …
Trotzdem rufe ich nicht bei der Polizei an. Ich kann dem Präsidenten ja unmöglich von einem seltsamen Gefühl berichten. BARBARA BOLLWAHN