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Archiv-Artikel

DIE NEIDDEBATTE IST TOT UND DIE PRIVILEGIEN BLEIBEN GESCHÜTZT Manager sind auch nur arme Schweine

Es gilt einen Tod zu vermelden: Das Wort „Neiddebatte“ ist gestern offiziell bestattet worden. Kanzlerin Merkel warnte die Arbeitgeber davor, die Diskussion über die Managergehälter als „Neiddebatte“ abzutun. Damit formulierte die Kanzlerin zwar nicht unbedingt ihre eigene Meinung, sprach aber die unbedingte Meinung fast aller Wähler aus. Niemand will vom unterstellten Neid je wieder hören müssen – und damit ist das Argument politisch tot.

Um noch einmal kurz an die erstaunliche Lebensgeschichte des Verblichenen zu erinnern: Die „Neiddebatte“ dürfte der wirkungsmächtigste Kampfbegriff gewesen sein, den die Eliten je erfunden haben. Wer immer ihre Privilegien kritisierte, konnte flugs mit dem Verdacht überzogen werden, ein moralischer und monetärer Versager zu sein. Zu doof, um einen Betrieb zu führen. Und zu missgünstig, um die eigene Beschränktheit schweigend zu ertragen. Es bedeutet eine Zäsur, dass sich die Eliten nun ohne den Wiedergänger „Neiddebatte“ ins politische Getümmel stürzen müssen.

Nüchterner formuliert: Die Eliten haben ihre moralische Macht verloren. Lange wurde vom Verteilungskampf geredet – jetzt hat er begonnen. Allerdings kreist die Debatte momentan noch um ein Randproblem. Zwar sind viele Managergehälter überhöht, aber auch Manager sind nur Angestellte. Die Klasse der abhängig Beschäftigten zerfleischt sich selbst. Dabei wird leider übersehen, dass vor allem die Firmenbesitzer und Aktionäre profitieren, wenn die Löhne stagnieren und die Gewinne explodieren.

Die Kapitaleigner können sich freuen, dass die Öffentlichkeit so leidenschaftlich über die Manager debattiert. Es ist das perfekte Ablenkungsmanöver. So bleibt unbemerkt, wie die Raffgier im Stillen funktioniert. Auch dafür bot der gestrige Tag geradezu dreistes Anschauungsmaterial: Merkel hat nämlich nicht nur die Managergehälter gegeißelt. Das ist die Fassade. Im Hintergrund hat ihr Kabinett eine Reform der Erbschaftsteuer beschlossen, die den Betrieben rund 500 Millionen Euro jährlich schenkt. Statt so ausgedehnt über die Manager-Gehälter zu diskutieren, sollte man sich daher lieber so interessanten Themen wie der Vermögensteuer zuwenden. ULRIKE HERRMANN