DIE MUSLIMISCHE ZIVILGESELLSCHAFT IN DEUTSCHLAND BEWEGT SICH : Für Islam, gegen Terror
Erstmals ruft ein muslimischer Dachverband in Deutschland zu einer Großdemonstration gegen Terror und Gewalt auf. Bis zu 30.000 Gläubige erwartet die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) am 21. November in Köln. Das ist zu begrüßen. Denn nicht erst seit den Ereignissen in den Niederlanden fragen sich auch in Deutschland viele Bürger: Gibt es eine muslimische Zivilgesellschaft? Wie halten ihre Organisationen es mit der Abgrenzung gegen den Islamismus?
Bislang begnügten sich der Zentralrat der Muslime (ZdM), der von Milli Görüs dominierte Islamrat und der Verband islamischer Kulturzentren mit ritualisierten Distanzierungen ihrer Funktionäre. Die Mobilisierung der eigenen Gefolgschaft für ein demonstratives Bekenntnis zu den Grundlagen dieser Gesellschaft scheuten sie. Aus gutem Grund. Denn auf einer Großveranstaltung könnte sich sehr schnell zeigen, wie viel Sympathie für die Ziele des politischen Islam es in ihren Reihen gibt. Und wie häufig sie mit Vertretern des politischen Islam kooperieren. Umso gewichtiger ist der Schritt, den Ditib jetzt wagt. Sollte es der mit rund 150.000 Mitgliedern größten muslimischen Interessenvertretung in Deutschland tatsächlich gelingen, die Gläubigen zu mobilisieren, wäre das ihre Rückkehr in die Debatte in Deutschland.
Tatsächlich wurde Ditib in den letzten Jahren als Dialogpartner systematisch ignoriert. Zu abhängig vom türkischen Staat sei die Organisation, lautete das durchaus berechtigte Argument. Übersehen wurde dabei allerdings, dass Ditib die einzige muslimische Dachorganisation ist, die sich ohne Abstriche zum Laizismus und zur Gleichberechtigung von Mann und Frau bekennt. Und viele Reformen, die heute vom Islam gefordert werden, wurden in ihrer türkischen Variante und damit auch bei Ditib bereits vor Jahren durchgesetzt. Das ist einer der Gründe, weshalb die Bundesrepublik in diesen Tagen weniger Probleme mit ihren Muslimen hat als viele europäische Nachbarländer. Und diese Entwicklung zu stärken sollte auch für Nichtmuslime Anlass genug sein, sich der muslimischen Demo anzuschließen. EBERHARD SEIDEL