DIE LINKSPARTEI SCHIEBT GRÜNE AUS DER ÖFFENTLICHEN WAHRNEHMUNG : Der Vorteil der Differenz
Im Rhetorikunterricht an US-amerikanischen Schulen lernt der Nachwuchs: Du musst etwas erzählen, das sich von dem unterscheidet, was das Publikum schon gehört hat. „You have to make a difference.“ Nur dann wird das, was du gesagt hast, in den Köpfen der Zuhörer bleiben. Im hiesigen Deutschunterricht hingegen wird den Schülern viel über den Dreisprung These-Antithese-Synthese erzählt und dass man alle Argumente sorgfältig abwägen muss, auch wenn das Auditorium dabei einschläft.
„Die Differenz machen“ – das zählt in der Mediengesellschaft, in der die Aufmerksamkeit das knappste Gut ist. Wenn Politik genauso funktioniert, dann haben die Grünen ein Problem: Die Linkspartei nämlich ist es, die jetzt, Glaubwürdigkeit hin oder her, für die WählerInnen die stärkste „Differenz“ macht. Vorbei sind die Zeiten, wo sich die Grünen darauf verlassen konnten, dass es da immer diese zumeist bürgerlichen WählerInnen gab, die sich vom „Mainstream“ unterscheiden wollten und deswegen die Grünen wählten. Als Symbol eines unkonventionellen Lifestyles, als Zeichen, dass man auch mit 40 doch noch ein bisschen anders ist als die eigenen Eltern. Die Grünen standen selbst als Regierungspartei in Bund und Ländern immer für diese Differenz. Doch die Linkspartei mit ihrem Generalangriff auf den Spätkapitalismus und dem Umverteilungsversprechen trägt jetzt erheblich dicker auf, wirkt deshalb schärfer profiliert – und lässt die Grünen entsprechend blasser aussehen.
Dabei handelt es sich wohlgemerkt nicht um Wählerwanderungen, denn es sieht nicht so aus, als würden enttäuschte Anhänger der Grünen jetzt zu Hunderttausenden für die Linkspartei stimmen. Es geht vielmehr um die Chancen des „branding“, der eigenen Markenbildung.
Wenn zudem jetzt Schwarz-Gelb zu sehr hochgejazzt wird, lässt dies die SPD wieder „differenter“ wirken. Sie könnte so am Ende wieder zur Partei vieler heimlicher Protestwähler avancieren. Das wäre dann ein Treppenwitz dieser ohnehin schon verrückten Bundestagswahl. BARBARA DRIBBUSCH