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Archiv-Artikel

DIE LEHRSTELLENNOT ZEIGT, WIE DER MARKT VERSAGT Ausgebildet zum Arbeitslosen

Die Lehrstellennot ist ein klarer Fall von Marktversagen. Ausbildende Unternehmen investieren in die Qualifikation von künftigen Arbeitnehmern. Unternehmen, die nicht ausbilden, profitieren von dem so geschaffenen Kollektivgut Wissenskapital. Als Trittbrettfahrer stellen sie ausgelernte Arbeitnehmer ein, ohne selbst für deren Qualifikation zu bezahlen. Das Ergebnis ist auf lange Sicht die zweitbeste Lösung für die Gesellschaft: eine Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften. Ihr steht eine Übermacht von Ungelernten gegenüber. Diese werden in der Wissensgesellschaft von morgen noch weniger Chancen haben als heute. Sie werden zum Arbeitslosen ausgebildet.

Für die Gesellschaft verursachen diese Menschen enorme Kosten, von ihrem persönlichen Unglück ganz zu schweigen. Ihre Arbeitskraft bleibt ungenutzt, sie stehen als Steuerzahler nicht zur Verfügung, ihre von Anfang an erlernte Erwerbslosigkeit belastet die sozialen Sicherungssysteme, ihr Ausschluss aus dem Arbeitsleben führt zu sozialer Desintegration. Die Weichen für eine solche Entwicklung werden heute, beim Eintritt ins Berufsleben, gestellt. Im Vergleich dazu erscheint der Preis, den die einzelnen Unternehmen für ihre Azubis bezahlen, gering. Der Markt aber kann dieses Problem nicht lösen, weil Unternehmer bekanntlich anders kalkulieren müssen als die Heilsarmee. Die fehlenden Lehrstellen sind ein trauriges Beispiel dafür, dass Versprechen allein kaum genügen, wenn es starke Anreize gibt, sie zu brechen – besonders in der derzeitigen schwierigen konjunkturellen Situation.

Gerade wegen der harten Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aber müssen Jugendliche eine erste Chance bekommen. Dass die Regierung angesichts der erschreckenden Lehrstellenbilanz – trotz der abgewendeten Katastrophe fehlen noch rund viermal so viele Ausbildungsplätze wie letztes Jahr – bei der Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe bisher zögert, macht sie unglaubwürdig. Ihr Zaudern gibt jenen Rückendeckung, die in der Agenda 2010 bisher nur ein Geschenk an die Unternehmer erkennen. In der Tat: Bei der Verschärfung der Bedingungen für Arbeitslose hat sich die Bundesregierung weit weniger zurückhaltend gezeigt.

In seiner Regierungserklärung vom 14. März hat Kanzler Gerhard Schröder der Wirtschaft ein Ultimatum gesetzt, das jetzt verstrichen ist. Nun muss er handeln, allein schon, um weitere Unruhen in seiner eigenen Partei abzuwenden. Wenn Schröder will, dass seine von ihm gern als schmerzhaft titulierten Reformen akzeptiert werden, dann müssen sie auch allen weh tun. ANDREAS SPANNBAUER