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Archiv-Artikel

DIE LAUSCHANGRIFF-REGELN BETREFFEN AUCH DIE TELEFONÜBERWACHUNG Intimitäten am Telefon

Es gibt gute Gründe, warum Gespräche mit Familienangehörigen oder anderen engsten Vertrauten nicht abgehört werden sollten. Im März hatte das Bundesverfassungsgericht deshalb eine Neuregelung beim großen Lauschangriff gefordert: Der „Kernbereich der privaten Lebensgestaltung“ sollte vom Abhören per Wanzen unberührt bleiben.

Doch früher saß man für private Gespräche am Wohnzimmertisch, heute telefoniert man meist. Darum wird jetzt diskutiert, ob dieser Schutz der Wohnung auch auf das Telefon übertragbar ist. Bei der gestern in Kraft getretenen Neuregelung der Zoll-Abhörbefugnisse wurde diese Frage bewusst ausgeklammert. Und bei der geplanten Neuregelung der polizeilichen Abhörmöglichkeiten wird dies der wohl entscheidende Streitpunkt werden.

Für die Polizei wäre es hart, wenn die Karlsruher Vorgaben für den Lauschangriff künftig auch bei der Telefonüberwachung gälten. Schließlich fordert das Verfassungsgericht, dass die Überwachung sofort abzubrechen ist, wenn die Gespräche ganz privater Natur sind. Folglich müsste künftig immer live mitgehört werden, um rechtzeitig abzuschalten: Erforderlich wären dafür Rundum-Schichten der Ermittler, oft mit Dolmetschern.

Beim großen Lauschangriff ist das gerade noch umzusetzen, denn in Wohnungen wird nur ganz selten abgehört: Etwa 30-mal im Jahr war das bisher der Fall. Dagegen ist die Telefonüberwachung längst eine Standardmaßnahme. Die Zahl der überwachten Anschlüsse nähert sich 30.000 jährlich – allerdings auch, weil viele Verdächtige ein Dutzend Anschlüsse benützen, etwa Handys.

Solche Aspekte dürfen aber keine Rolle spielen, wenn es um den Schutz der Menschenwürde geht. Und in der heutigen Zeit ist das vertrauliche Telefongespräch eben genauso schutzbedürftig wie der private Besuch. Ein pragmatischer Kompromiss ist jedoch denkbar: Statt einer Live-Telefonüberwachung würde auch ein absolutes Verwertungsverbot für aufgenommene Privatgespräche genügen: Dann dürften solche Aufzeichnungen zumindest weder im Prozess noch bei den Ermittlungen Verwendung finden. CHRISTIAN RATH