DIE LAGE IST BESSER ALS DIE STIMMUNG – SCHULD IST DIE REGIERUNG : Missglückte Reformdebatte
Den Deutschen geht es nach wie vor gut, und das gibt die ganz große Mehrheit sogar zu. Trotzdem blicken viele Menschen pessimistisch in die Zukunft. Ganz ungewollt bewirken sie damit das, was man eine „Selffulfilling Phrophecy“ nennt: Sie sparen aus Angst, sie komsumieren wenig, investieren kaum, Firmen stellen keine neuen Leute ein, Banken vergeben nur noch vorsichtig Kredite. Und damit würgen sie die Konjunktur, die sich ja zurzeit auf einem zarten Genesungsweg befinden soll, gleich wieder ab.
Gewiss hat es seine berechtigten Gründe, dass diejenigen, die es sich leisten können, mehr zurücklegen als noch vor zwei oder drei Jahren. Denn es wird immer deutlicher, dass die Menschen in Zukunft mehr Geld für ihre Gesundheit ausgeben und stärker für ihre Rente sparen müssen. Aber dass bereits ein Drittel der Bevölkerung düster in die Zukunft blickt, hat auch noch einen anderen Grund – und der ist unberechtigt.
Was derzeit nämlich am meisten auf die Stimmung drückt, ist die missglückte Reformdebatte. Die Bundesregierung – und mit ihr die Opposition und die Interessengruppen – hätte sie als Aufbruchstimmung verkaufen können. Stattdessen wurde sie zu einem Schreckgespenst: sparen, kürzen, verlieren.
Dabei hätte die Regierung ihre Chance gehabt: Sie hätte es als Schritt nach vorne kommunizieren können, dass sie beispielsweise als Erste endlich mit der „Die Renten sind sicher“-Lüge gebrochen hat. Dass die junge Generation nun wenigstens weiß, woran sie ist, und Vorsorge treffen kann. Oder: Sie hätte es schaffen müssen, einen flexibleren Arbeitsmarkt als Chance für die Arbeitslosen zu vermitteln – und nicht nur als Gefährdung für diejenigen, die jetzt einen Job haben.
Jetzt ist die Chance erst einmal vertan, die Stimmung hat in den letzen zwei Jahren rapide abgenommen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Aufschwung, wenn er nun tatsächlich kommt, auch zu einem Aufschwung in den Köpfen der Leute wird. Erst wenn die Verzagtheit über das, was kommen wird, wieder abgenommen hat, kann sich die Wirtschaft erholen. Denn auch hier gilt die „Selffulfilling Phrophecy“. KATHARINA KOUFEN