DIE KOMMUNALWAHL IN MONTENEGRO SICHERT DEN STATUS QUO: Land im Schwebezustand
Der knappe Sieg der auf Unabhängigkeit drängenden Reformkräfte in der Hauptstadt Podgorica und der knappe Sieg der Pro-Jugoslawien-Fraktion in Herceg-Novi bei den Kommunalwahlen in Montenegro sichern erst einmal den Status quo in dem neben Serbien zweiten Bundesstaat Jugoslawiens. Angesichts der Gefahren für das Land dürfte sich bei der Bevölkerung, insbesondere aber bei den Minderheiten und, selbstredend, den westlichen Mächten erst einmal Erleichterung eingestellt haben. Die Lage war in der Tat brisant. Ein anderes Ergebnis hätte der Funke für bewaffnete Auseinandersetzungen sein können. Bei größeren Stimmenverschiebungen wäre das bestehende Gleichgewicht aus den Fugen geraten. Ein deutlicher Sieg der Reformer wäre gleichbedeutend mit der Ankündigung einer Volksabstimmung über die Unabhängigkeit gewesen. Die Belgrader Führung unter Slobodan Milošević hätte handeln müssen.
Das Ergebnis der Wahlen aber, das sich nur schwer mit vorausgehenden Umfragen und Einschätzungen vereinbaren lässt, hat glücklicherweise diese Gefahr gedämpft. Ein Schelm ist, der sich nichts dabei denkt. Zufrieden sein können auch die internationalen Mächte. Der Ruf nach präventiver Diplomatie wird ja immer erst dann laut, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Ist sie aber erfolgreich, redet niemand davon. Im Falle Montenegros könnte der Druck von außen mit dazu beigetragen haben, dass das Ergebnis so ausgefallen ist, wie es ist. Vor allem die Djukanović’ Refomkräfte unterstützenden USA, selbstverständlich auch die Europäer, haben – zurzeit wenigstens – kein Interesse an einer Eskalation.
Und Milošević? Der zurzeit wohl auch nicht. Aber gelöst sind die politischen Probleme nicht. Montenegro wird für Belgrad ein Wackelkandidat bleiben. Solange die Führung in Belgrad so ist, wie sie ist, sind Fortschritte und echte Kompromisse nicht zu erwarten. Milošević kann den Konflikt jederzeit anheizen. So auch Montenegros Präsident Djukanović. Der Schwebezustand, der jetzt bestätigt wurde, ist deshalb selbst mittelfristig kaum aufrechtzuerhalten. ERICH RATHFELDER
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