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Archiv-Artikel

DIE KOALITION HAT DIE GESUNDHEITSREFORM IN DEN SAND GESETZT Übrig bleibt nur die Hülle

Insgeheim mag Ulla Schmidt (SPD) den Krankenkassen sogar dankbar sein: Im Streit mit deren Spitzenverbänden kann sich die Gesundheitsministerin endlich als Reformpolitikerin profilieren und zeigen, dass sie vor Lobbygruppen nicht zurückweicht. Dabei wird so getan, als ginge es um fundamentale Veränderungen im Gesundheitssystem, die die Kassen zu verhindern trachten. Deren geplante Informationskampagne gegen den Gesundheitsfonds wird von Regierungsseite als Agitation im Eigeninteresse gegeißelt. Natürlich geht es den Kassen auch um die eigene Machtbasis. Aber selbst wenn diese angetastet wird, ist Ulla Schmidt und den anderen Regierungsmitgliedern deshalb noch keine nachhaltige Gesundheitsreform geglückt.

Die Kassen sollen künftig nicht mehr über die Höhe der Beiträge entscheiden, sondern sich damit begnügen, diese im Auftrag einer neuen Behörde einzutreiben. Die Hoheit über jährlich 450 Milliarden Euro geben die Kassen an den Gesundheitsfonds ab. Diese Institution soll die staatlich festgesetzten Beiträge zu einem Einheitsbrei verrühren, eine Prise Steuermittel dazugeben und dann gleich große Portionen an die Kassen austeilen – plus Zuschlag für Versicherungen mit kränkeren Versicherten. Doch einen solchen Topf gibt es bereits: den Risikostrukturausgleich, über den rund 90 Prozent der Beiträge zwischen den Kassen umverteilt werden, und das ziemlich reibungslos. Wieso, so die berechtigte Frage der Kassenvertreter, will also die Regierung überhaupt eine neue Behörde schaffen?

Die Antwort lautet: weil sie nicht weiß, wozu der Gesundheitsfonds sonst gebraucht wird. Ursprünglich war er dazu gedacht, zusätzliche Einnahmen, darunter erhebliche Steuermittel zu verwalten und einen größeren Versichertenkreis zu schröpfen. Denn tatsächlich leidet die gesetzlichen Krankenversicherung nicht am ineffizienten Beitragseinzug, sondern an der erodierenden Einnahmebasis. Die zahlenden Mitglieder, die Beschäftigten, gehen zunehmend in Rente oder sind schon arbeitslos. Doch ihre Vorschläge, die Einnahmen zu stabilisieren – durch Kopfpauschale oder Bürgerversicherung –, haben sich Union und SPD gegenseitig wegverhandelt. Nun gibt es voraussichtlich nur ein Steuerzuschüsslein von insgesamt 4,5 Milliarden Euro und eine kleine Kopfpauschale in Form einer Prämie. Privatversicherte werden auch weiterhin nicht zur Kasse gebeten. Von den ganzen Reformideen bleibt nur die Hülle: der Fonds. Aber den möchte sich Ulla Schmidt nicht von den Krankenkassen zerreden lassen. ANNA LEHMANN