DIE HANAUER PLUTONIUMFABRIK WIRD NICHT NACH RUSSLAND EXPORTIERT: Erfolgreiche Lobbyarbeit
Die Siemens AG weitet ihr Geschäftsfeld weiter aus: Altmetallschrott gehört nun auch zur Warenpalette des Münchner Großkonzerns. Jetzt steht also endgültig fest, dass die Hanauer Plutoniumfabrik nicht nach Russland verschachert wird. Einzelteile werden noch verhökert, der Rest verschrottet. Vielleicht finden sich ja noch ein paar Liebhaber, die gerne eine Handschuhbox für den Küchenabwasch erstehen wollen oder sich ihren Kaffee in einer Plutoniummühle aus Edelstahl (garantiert unbenutzt!) mahlen möchten. Sechs Jahre lang hat die Siemens AG vergeblich darauf gewartet, dass ihr großzügiges Angebot angenommen wird, die Hanauer Anlage in Russland für wenige Millionen Mark zur Produktion von Plutoniumbrennstoff aus russischem Waffenplutonium zur Verfügung zu stellen. Geflissentlich unter den Tisch fallen ließ man dabei, dass man sich in Hanau ausrechnete, einen Großteil der 800 Millionen Mark Betriebskosten für die Anlage in Russland einstecken zu können.
Siemens reagiert mit ihrer Entscheidung auf den G-8- Gipfel von Genua, bei dem die Entsorgung von Waffenplutonium nicht einmal mehr auf der Tagesordnung stand. Lediglich beim vorangegangenen Außenministertreffen Mitte Juli in Rom hatten die Außenminister in flauen Worten ihre Unterstützung für die Entsorgung des russischen Waffenplutoniums zu Protokoll gegeben. Zum Verständnis: Waffenplutonium stellt eine besondere Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Es ist von höchster Bedeutung, dass die USA und Russland sich in bilateralten Verträgen bereit erklärt haben, jeweils 34 Tonnen Waffenplutonium (etwa ein Drittel der amerikanischen und ein Viertel der russischen Gesamtmenge) zu entsorgen.
Der Streit beginnt bei der Frage der technischen Lösung: Plutoniumbrennstoff („MOX“) für Atomreaktoren oder Verglasung beziehungsweise „Immobilisierung“. Friedensinitiativen und Umweltschützer haben auf die Proliferationsgefahren der MOX-Option hingewiesen sowie davor gewarnt, Russland wolle die Hanauer MOX-Anlage zum Einstieg in die Plutoniumwirtschaft nutzen. Mit Erfolg, wie sich jetzt zeigt. Unter dem Druck der Umweltorganisationen erklärte die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres, den Transfer der Hanauer Anlage weder politisch noch finanziell unterstützen zu wollen. Durch intensive Lobbyarbeit ist es gelungen, auch andere G-8-Staaten wie Kanada und Italien von der Unkalkulierbarkeit des MOX-Abenteuers zu überzeugen. Die endgültige Verschrottung von Hanau markiert eine schmerzhafte Niederlage für die Verfechter der nuklearen Wiederaufarbeitung in aller Welt. TOBIAS MÜNCHMEYER
Der Autor ist Nuclear Campaigner bei Greenpeace
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