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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Ein letzter beherzter Griff

Wird uns etwas fehlen? Am Freitag schließt das Verteidigungsministerium die verbliebenen 52 Kreiswehrersatzämter. Das Ende einer Ära

Es ist nur eine kleine, bürokratische Maßnahme, die das Verteidigungsministerium da verkündet, aber es bedeutet das Ende einer Ära: Die Kreiswehrersatzämter werden geschlossen. Für alle, die sich nicht geschäftlich mit dem Töten von Menschen beschäftigen wollen, bedeutet das: Adieu Musterung! Arrivederci Eignungsverwendungsprüfung! Das Verschwinden der Ämter mit dem mysteriösen Namen macht das Ende der Wehrpflicht endgültig spürbar.

Mit dem Kreiswehrersatzamt brach über unsere unbeschwerten westdeutschen Schülerleben der wirkliche Ernst des Daseins herein. Mit ihm erfuhren wir, dass der Staat urplötzlich vor der Tür stehen kann, um etwas von einem zu wollen. Genauer: einen selbst zu wollen. Den eigenen Körper. Als Füllmasse, für Abschreckungsszenarien in Tausendereinheiten ebenso wie ganz konkret für Panzer. Das wurde einem beklemmend klar, als man sich bei der Musterung auf ein Höckerchen kauerte, damit die Kopfhöhe sitzend ermittelt wurde und damit die physische Möglichkeit, in so ein Ding überhaupt reinzupassen. Es verdeutlichte uns eindringlich, von einem Individuum zu einem Stück Fleisch geworden zu sein, als wir uns nackt der Reihe nach vor dem Musterungsarzt aufstellen mussten, der anschließend seinen Einmalhandschuh überstreifte und uns einem nach dem anderen beherzt in die Klöten griff. Am Ende dann Antreten vor einem obskuren Komitee vor Deutschlandflagge, das einem das Verdikt verkündete: T2. Freiwild praktisch.

Nun rasch die Verweigerung schreiben. Da die staatliche Pazifisten-Anerkennung noch ausstand, mussten wir ein zweites Mal ins Amt, zur Eignungsverwendungsprüfung. Unbeholfen eingeschnarrte Anweisungen im zackigen Befehlston kamen vom Band, wir sollten wildes Morsegepiepse mitschreiben. Den Jungs, die ernsthaft was werden wollten in dem Laden, stand der Schweiß auf der Stirn, wir anderen freuten uns, dem Irrsinn anschließend für immer den Rücken zu kehren.

Es ist gut, dass die Kreiswehrersatzämter verschwinden. Ihre Mitarbeiter, so teilt das Ministerium mit, sollen nicht entlassen, sondern in anderen Bereichen eingesetzt werden. Ich wünsche ihnen, dass sie zuvor eine Eignungsverwendungsprüfung ablegen und gründlich auf ihre Tauglichkeit für den neuen Job hin gemustert werden. Falls noch jemand gesucht wird, der ihnen mal kräftig in das Skrotum greift: Ich bin bereit. HEIKO WERNING