DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Dachau? I like!
WAS SAGT UNS DAS? Auf Amazon kann man Jutebeutel mit der Aufschrift „I love Dachau“ kaufen. Dahinter steht eine Bochumer Firma – und vermutlich Dummheit
Jutebeutel sind praktisch zum Einkäufeschleppen. Mit Aufdruck sind sie schick. Der Hipster liebt sie. I love Berlin. I love Schnauzbart. I love Dachau. Was? Doch: Der Onlineversandhändler Amazon bietet eine Jutebeutelserie zu Dachau feil, dahinter steht die Bochumer Firma Jollify. Dachau mit „Gefällt mir“-Facebook-Daumen, „I still love Dachau“, oder auch ein frisch-fröhliches: „I escaped from Dachau“.
Was haben sich die Designer dabei gedacht? Nichts, weil sie in der Schule nicht aufgepasst haben? Provokation, die leider nicht funktioniert, weil sie – in der Schule nicht aufgepasst haben? Oder ist es vielleicht der Versuch, die Nazi-Vergangenheit Dachaus abzuschütteln und mit neuem Stolz zu seiner Stadt zu stehen? Den, weil die Dachauer damit ja offenbar nicht so richtig in die Gänge kommen, nun eine Bochumer Firma übernimmt, die neben bedruckter Bekleidung und Taschen auch Aufkleber, Carbonfolie und Echtcarbonteile verkauft?
Nichts Genaues weiß man nicht – und will es vermutlich auch gar nicht wissen, weil man so hoffen kann, dass die Folienfabrikanten tatsächlich einfach nur ein bisschen dumm sind. Nähern wir uns dem Ganzen also über einen Umweg. Dem der Popkultur. „I love“-Aufdrucke sind ein Produkt dieser Kultur, ein oberflächliches Symbol. Sie sind dadurch unvereinbar mit einigen emotional aufgeladenen, schmerzlichen Themen. Mit dem Thema Konzentrationslager etwa. Das KZ in Dachau galt den Nazis als Modell für alle anderen KZs, es ist quasi der Inbegriff eines solchen Lagers. Der Ort ist einer der Punkte auf der deutschen Landkarte, wo sich das kollektive schlechte Gewissen Deutschlands bündelt. Da mag noch Platz sein für Jutebeutel. Und für Popkultur auf Jutebeuteln. Für Dummheit aber sicher nicht. ANM