DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Die Pfunde der Wahrheit
WAS SAGT UNS DAS? Edward Snowden, Glenn Greenwald und Julian Assange machen Wahlkampf in Neuseeland. Schade, Helden, schade
Da musst du jetzt nicht unbedingt Neuseeländer sein, um dazu die Nase zu rümpfen. Ich meine, ist klar, eigentlich geht es natürlich gar nicht um Wahlkampf, sondern nur um die Überwachung und gute Überzeugungen und so – und deshalb hat Glenn Greenwald, der viel beklatschte Investigativjournalist und Snowden-Enthüller, ja auch so despektierlich gelacht, als Neuseelands Ministerpräsident John Key ihn einen „Handlanger“ nannte, der „keine Eier“ habe. Aber uneigentlich ging es da am Montag in Auckland sehr wohl um Wahlkampf, und was für einen, und deswegen stellen wir heute fest: Die Zeit der Unschuld ist vorbei, Buddys.
„Die Stunde der Wahrheit“ nannte der berüchtigte deutsche Internetmillionär Kim Dotcom seine aufwendige Kampagnenshow, die er fünf Tage vor der Wahl in Neuseeland abzog. Darin wollte er beweisen, was angeblich noch niemand wusste, nämlich dass Neuseeland – genau wie die anderen Mitgliedstaaten im Spionageverbund „Five Eyes“ – heimlich die eigene Bevölkerung ausspähe. Einen Knall und Scoop und was nicht alles hatte er angekündigt. Dann kam nichts, was nicht bekannt gewesen wäre.
Nun ist es zwar so, dass der ungehobelte Ministerpräsident von Neuseeland tatsächlich bis heute sein Volk an der Nase herumführt und aus guten Gründen abgewählt gehört, aber es ist auch so: Der kartoffelförmige Deutsche, der jahrelang das Upload-Portal „Megaupload“ betrieb und deshalb vom FBI gejagt wird, hat neulich erst in Neuseeland eine Internetpartei gegründet, die niemand wählen will. Umfragen sehen seine Partei, obwohl er bereits immense Summen investiert hat, noch immer im marginalen Bereich. Und so kam es dann also, dass am Montag eine weltweit übertragene Show stattfand, die eigentlich nur ein Ziel hatte: Aufmerksamkeit zu erzeugen. Das Besondere daran: Glenn Greenwald reiste dazu eigens aus Brasilien an, Edward Snowden und Julian Assange steuerten ihre Live-Kommentare bei – und die Jungs ließen sich feiern wie sonst Jesus in einem Erlösungsgottesdienst. Das war „die Stunde der Wahrheit“: billiger Wahlkampf von Nichtneuseeländern in Neuseeland, ungehobelt und platt. Schade, ihr Helden. MK