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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK

Krieg der ZivilisationenWAS SAGT UNS DAS? Ein Italiener zieht sein Kind an den Haaren – und gilt den Schweden nun als Barbar

Drei Tage hinter schwedischen Gardinen waren genug: Zum Schluss erließ der Stockholmer Richter dem Angeklagten die fälligen 750 Euro Strafe. Am 23. August dieses Jahres war der Italiener Giovanni Colasante (46) in einem Restaurant in Stockholm verhaftet worden, weil Zeugen ihn dabei beobachtet haben wollten, wie er seinen zwölfjährigen Sohn auf offener Straße ohrfeigte. Colasante fuhr 72 Stunden ein und musste bis zur Urteilsverkündung in der italienischen Botschaft ausharren. Nun ist der Informatikmanager wieder zu Hause, in Canosa, wo er für eine Berlusconi-nahe Regionalpartei im Stadtparlament sitzt.

Ausgelöst worden war der Konflikt durch die Weigerung des Sohnes, ein schwedisches Spezialitätenrestaurant aufzusuchen: Er wollte lieber eine Pizza. Manche Kommentatoren sehen in der Unzumutbarkeit nordischen Essens den Auslöser der Affäre. Aber die Angelegenheit hat mehr zu bieten: Seit 1979 gilt in Schweden „Null-Toleranz“ bei körperlicher Gewalt gegen Minderjährige. Im Süden nimmt man eine Watsch’n für kapriziöse Blagen nicht weiter tragisch. Es ist damit wie so oft in Italien: Viel mehr ist gerade Kindern erlaubt als im Norden – aber wenn es reicht, reicht es wirklich.

Im Prozess stellte Colasante klar, dass er seinen Sohn „nur“ an den Haaren gezogen hatte. Er habe den Filius am Jackenkragen festhalten wollen, leider sei der Griff daneben gegangen. Richter Alander ließ sich nicht beeindrucken: „Ist es in ihrem Land üblich, Kinder zu schlagen?“ Die eigentlich seriöse Zeitung La Stampa machte daraus einen „Krieg der Zivilisationen“. Colasante sei gedemütigt worden, und zwar nicht als Person, sondern als Italiener.

Diese fragen sich nun, warum man ihnen alles zutraut? Colasante könnte die Antwort beim Mentor seiner Partei finden.

AMBROS WAIBEL