DIE GESELLSCHAFTSKRITIK : Ein Haufen Nullen
WAS SAGT UNS DAS? Deutschland hat auf einen Schlag 55 Milliarden Euro weniger Schulden, weil sich in irgendeiner Bad Bank irgendwer irgendwie verrechnet hat
Nein, es hat niemand einen gewaltigen Goldschatz im Bodensee gefunden. Und trotzdem hat Deutschland 55,5 Milliarden Euro weniger Schulden. Weil sich eine Institution mit dem Namen „FMS Wertmanagement AöR“ verrechnet hat. Man nennt sie auch „Bad Bank“: In ihr lagern die wertlosen Zockerpapiere der verstaatlichten Hypo Real Estate (HRE), eine Bank, die sich verspekulierte und so groß war, dass Deutschland sie gerettet hat. Ihre Schulden sind jetzt Staatsschulden. Irgendein Horst hat sich nun bei der FMS verrechnet und, grob gesagt, den Restwert der Papiere nicht von den Schulden abgezogen.
Das ist zunächst lustig. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kalkulierte: Davon kann sich jeder Deutsche 1.000 Bierflaschen kaufen. Die taz recherchiert: 67 Cent pro Flasche? Dafür gibt es nur Plörre.
Wenn sich Finanzexperten um 55 Milliarden verrechnen, stellt sich allerdings auch die Frage: Auf welcher Basis werden in Griechenland und anderswo eigentlich ganze Völker kaputt gespart? Der Fall der HRE zeigt, dass trotz Wirtschaftsprüfern und Verstaatlichung in jeder Bilanz potenziell gewaltiger Murks stecken kann. Jenseits von Rechenfehlern: Die Bilanzierung von Schulden und Vermögen ist nicht objektiv, obwohl Zahlen so unbestechlich scheinen. Kürzlich hat ein Händler der Schweizer UBS einen Milliardenverlust beschert, trotzdem macht die Bank riesige Gewinne, wegen legaler Bilanztricks. Griechenland schickte jahrelang falsche Zahlen über seine Schulden nach Brüssel und keiner merkt es, weil es politisch nicht opportun war.
Der Fund von 55 Milliarden Euro ist nur ein Fall, der an einer Grundüberzeugung rüttelt: der Objektivität der Zahlenwerke, nach denen wir die Welt organisieren. INGO ARZT