DIE FRANKFURTER BUCHMESSE FUNKTIONIERT AUCH IN MÜNCHEN : Egal wo das Raumschiff landet
Eine Biergarten mit weißblauen Plastiktischtüchern ergänzt schon seit Jahren das gastronomische Angebot auf dem Frankfurter Messegelände. Möglicherweise ist Volker Neumann, dem Direktor der Buchmesse, hier im letzten Herbst die Idee gekommen: Er möchte die Messe über kurz oder lang nach München verlegen, unter anderem wegen der hohen Standmieten und Hotelpreise in Frankfurt. Außerdem seien „die großen deutschen Verlage“ heute in München beheimatet. (Den Suhrkamps und Fischers wird das wehtun.)
Oberbürgermeisterin Petra Roth will die Messe natürlich in ihrer Stadt behalten, der frühere Kulturdezernent Hilmar Hoffmann ahnt einen „kulturellen GAU“, und der hessische Ministerpräsident Roland Koch dichtete, vom Genius Loci beseelt: „Die Buchmesse gehört in die Stadt der Weisheit und nicht in die Stadt der Weißwurst.“ Sieht man davon ab, dass Frankfurt Einnahmen zu verlieren hat, gibt es nicht viel gegen den Standortwechsel einzuwenden. Man muss sich die Buchmesse wie eine Art Raumschiff vorstellen – ein hermetisch abgeriegeltes System, das mit seiner Umgebung nur über gelegentliche Ausflüge zu Empfängen in Luxushotels oder Verlagsräumen verbunden ist. Warum sollte dieses Raumschiff nicht in München landen? Klimatisierte Luft, Lizenzen, Häppchen und Branchengerüchte wird es dort auch geben.
Das eigentliche Problem der Buchmesse sind nicht das Umfeld oder die Hotelpreise, sondern wie man aus dem branchenintern durchaus beliebten Partyevent eine Veranstaltung macht, die für eine breitere, konsumorientierte Öffentlichkeit von Interesse ist.
Den Lesern und Leserinnen von heute liegt wenig an einer kulturellen Tradition, die sich für Roland Koch, den ausgewiesenen Bildungsbürger und Kenner der deutschen Traditionen, offenbar noch immer mit der „Stadt der Weisheit“ verbindet: Statt Goethe liest man heute Henning Mankell, schätzt die persönliche Begrüßung in einem Online-Store mehr als den freundlichen Buchhändler von nebenan und hat im Großen und Ganzen ein recht entspanntes Verhältnis zur Massenware Buch.
Volker Neuman weiß das. Er plant darum schon in diesem Herbst in Frankfurt den Buchverkauf am Messemontag sowie im Rahmen von Lesungen zuzulassen. Shoppen statt staunen: Das wäre tatsächlich eine bemerkenswerte Änderung. Den krisengeschüttelten Verlagen (und Autoren!) brächte diese Neuerung gutes Geld, den Besuchern böte sie die Gelegenheit, von der Messe mehr nach Hause zu bringen als nur eine Plastiktüte voller Kataloge. Aus Frankfurt oder irgendwann aus München.
KOLJA MENSING