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Archiv-Artikel

DIE EU WILL UNISEX-TARIFE BEI VERSICHERUNGEN VORSCHREIBEN – RECHT SO Falsche Front im Geschlechterkrieg

Die Proteste haben gerade begonnen. Vor einer „Diskriminierung der Männer“ warnen die privaten Kranken- und Rentenversicherer. Anlass der Mahnrufe ist die Verabschiedung einer EU-Richtlinie. Danach soll es der privaten Versicherungswirtschaft untersagt sein, Frauen und Männer zu unterschiedlichen Bedingungen zu versichern, sie müssten „Unisex“-Tarife anbieten. Wird die Richtlinie umgesetzt, dann dürften private Kranken- und Rentenversicherungen nicht mehr wie bisher von den Frauen höhere Beiträge als von den Männern verlangen. Um das wirtschaftlich auszugleichen, müsste man aber die Beiträge der Männer erhöhen, warnt die Versicherungswirtschaft. Eine neue Front wird eröffnet im Geschlechterkrieg. Aber es ist die falsche.

Jede Versicherung, auch die privaten, beruht auf dem Prinzip der Solidarität. Dabei gibt es immer Gruppen mit höherem Krankheitsrisiko. Bauarbeiter leiden stärker unter körperlichem Verschleiß als Rechtsanwältinnen. Auch die Inanspruchnahme privater Renten ist ungleich verteilt: Maschinenschlosser sterben früher als Ärzte, Dicke scheiden früher dahin als Dünne. Trotzdem käme ein Versicherungskonzern nicht auf die Idee, einen „Bauarbeitertarif“ oder einen „Dickentarif“ einzuführen. Das gälte als unpraktikabel und unschicklich. Nur die unterschiedliche Beitragsgestaltung nach der Mann-Frau-Kategorie ist gesellschaftsfähig – obwohl nicht alle Frauen öfter krank werden und auch nicht länger leben als alle Männer. Die EU-Richtlinie versucht nichts anderes, als diese Zwangskategorisierung zu unterbinden. Das ist fair. Einstufungen entlang der Geschlechterlinien sind noch aus einem andere Grund problematisch. Frauen zahlen höhere Beiträge für eine private Krankenversicherung, weil sie schwanger werden können. Aber ein Kind bekommen immer beide, eine Frau und ein Mann. Statt einen neuen Grabenkrieg zwischen den Geschlechtern zu beginnen, könnte man sich zur Abwechslung ja mal für ein solidarisches Miteinander entscheiden. Die EU-Richtlinie böte dafür einen Anlass.

BARBARA DRIBBUSCH