DIE EU HAT NOCH IMMER KEINE LANGFRISTIGE STRATEGIE FÜR SÜDOSTEUROPA : Militär ist nicht alles
Mit der Übernahme militärischer Verantwortung in Exjugoslawien macht die EU klar, dass ihr der Balkan nicht gleichgültig ist. Das ist gut so. Denn die Region steckt nach wie vor voller Sicherheitsrisiken. Internationale Truppen sind nicht nur in Bosnien und Herzegowina, sondern auch im Kosovo und in Mazedonien notwendig, um den Friedensprozess abzusichern. Ohne sie könnten regionale Konflikte schnell wieder in Krieg münden.
Doch militärische Präsenz ist nicht alles. Bestenfalls ist sie Bestandteil einer langfristigen politischen Strategie. Wie diese aussehen könnte, wird in EU-Europa aber nicht einmal diskutiert. Die Konturen einer EU-Außenpolitik sind schemenhaft geblieben – abgesehen von den konfusen Bemühungen des EU-Außenpolitikers Javier Solana, der mit seinem Projekt eines gemeinsamen Staates Serbien-Montenegro-Kosovo mehr Probleme schafft, als er löst. Fest steht lediglich, dass die Union den Staaten Südosteuropas in Aussicht stellt, irgendwann einmal aufgenommen zu werden. Tatsächlich weiß man in Brüssel ganz genau, dass die erweiterte EU auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein wird, die Staaten südlich Kroatiens aufzunehmen. Wenn man von diesen trotzdem fordert, ökonomische und administrative Reformen voranzutreiben, dann muss man auch klipp und klar erklären, wozu das gut sein soll. Konkret: Wenn schon kein Beitritt, dann immerhin Finanz- und Strukturhilfen. Sonst lässt man die ohnehin angeschlagenen Reformer auf dem Balkan im Regen stehen.
Was Europa fehlt, ist eine langfristige politische Strategie über die vage Aussicht auf eine EU-Integration hinaus. Das gilt auch in der Frage der Kriegsverbrecher. Einerseits hängt man für die Bevölkerung die Karotte immer höher, andererseits schickt man eine EU-Schutztruppe, die bei der Bevölkerung über weniger Autorität verfügt als die bisherigen Nato-Einheiten. Damit trägt man nicht zur Sicherheit bei, sondern zur allgemeinen Verunsicherung. Kein Wunder, dass die USA mit ihrer konsistenteren Balkanpolitik die europäischen Schwächen so leicht für ihre eigenen Machtinteressen ausnutzen können. ERICH RATHFELDER