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Archiv-Artikel

DIE ERHÖHUNG DER PENDLERPAUSCHALE IST EINE ZWIESPÄLTIGE MASSNAHME Gut für Pendler, schlecht für die Umwelt

Niemand fährt aus Jux und Dollerei weit zur Arbeit; ArbeitnehmerInnen nehmen den Weg zum Betrieb oder Büro auf sich, um Geld zu verdienen, was dem Staat Lohnsteuereinnahmen sichert. Deshalb ist es nur recht und billig, dass sie die mit dem Arbeitsweg anfallenden Kosten steuerlich geltend machen können. Schließlich können auch Unternehmer persönlich genutzte Dienstwagen teilweise von der Steuer absetzen.

Insofern ist zu begrüßen, dass die SPD die Kürzung der Pendlerpauschale teilweise zurücknehmen will. Künftig soll die Pauschale wieder ab dem ersten Kilometer Arbeitsweg gelten, allerdings soll sie von 30 auf 20 Cent je Kilometer sinken. Wie schon auf dem Hamburger Parteitag entdeckt die SPD also die Arbeitnehmerschaft wieder. Dennoch gelingt es ihr nicht, die Gerechtigkeitslücke zu Lasten von Arbeitslosen zu schließen. Diese werden durch die Hartz-Gesetze gezwungen, immer weitere Arbeitswege auf sich zu nehmen – sollen aber einen Großteil der Kosten selbst tragen.

Dennoch eignet sich die Diskussion um die Pendlerpauschale nicht, sich mit eindeutigen Positionen aus dem Fenster zu lehnen: Denn einerseits ist die Pauschale steuer- und arbeitnehmerpolitisch geboten; andererseits hat sie umwelt- und verkehrspolitisch fatale Folgen. Die Pendlerpauschale fördert die Zersiedelung der Landschaft. Sie unterstützt nicht nur Bewohner abgelegener ländlicher Regionen, die ohne Pauschale weniger Verdienstmöglichkeiten hätten. Die Pauschale bevorzugt auch Menschen, die aus den Städten ins vermeintlich grüne Umland ziehen und dann täglich mit dem Auto oder der Bahn in die Ballungszentren zur Arbeit pendeln. Die Folge ist ein gigantischer Flächen- und Energieverbrauch, der immer weiter steigt: Umso mehr das Umland der Städte zugebaut wird, umso weiter drängen die Ruhesuchenden in die Landschaft, beflügelt von immer schnelleren Straßen und Zügen.

Diesen Wahnsinn zu stoppen, ist ein hehres Ziel. Dass dies die Profiteure der Suburbanisierung – Stadtflüchtige, Bau- und Verkehrsunternehmen, Umlandgemeinden – in der einen oder anderen Form treffen wird, dürfte sich dabei kaum vermeiden lassen. RICHARD ROTHER