piwik no script img

Archiv-Artikel

DIE ERGEBNISSE DES GRUNDSCHÜLER-TESTS IGLU VERTRAGEN KEINE HÄME Interessante Daten, dämliche Wertungen

Der Süden liest besser. So lautet das Resümee der Iglu-Untersuchung, bei der Grundschüler auf ihr Lesevermögen getestet wurden. Der Süden ist aber auch anderswo Spitze: Er interpretiert anspruchsloser und interessegeleiteter. Beim Rangeln um den Preis für die dämlichste Übersetzung von Leserankings stehen unangefochten an der Spitze: das Magazin Focus und Frau Hohlmeier, peinlicherweise Bayerns Schulministerin.

Der Focus hat die Meldung – Hut ab – über internationale Schülervergleiche immer zuerst. Aber die Magazinleute kapieren sie nicht. Und Frau Hohlmeier hat immer nur eine Botschaft: Der Norden ist doof und die Sozis zu feige, sich den Vergleichstests zu stellen. Das war die Lehre, die man vor fünf Jahren aus dem Herumeiern manches Kultusfritzen ziehen konnte. Heute geht es längst um andere Erkenntnisse – interessantere.

Schülertabellen müssen ganz ohne Häme gelesen werden. Dafür taugt das Beispiel Bayern, weil es jenes Bildungssystem hat, das mehr Vorzüge als Nachteile aufweist. Das Niveau der sechs- bis zehnjährigen Südstaatler ist international hoch; das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Selbst in Bayern zählt ein Fünftel der Grundschüler zur Risikogruppe, zu den schlechten Schülern also, die kaum Chancen aufs Weiterkommen haben. Hier liegt der Hase im Pfeffer, genauer: Hier leidet der Abc-Schütze am Bildungsnachteil, den seine Eltern mitbringen. Das Besondere an den führenden Lese-Nationen ist ja, dass sie eine hohe Dichte in der Leistungsspitze zeigen – und ganz wenige Risikoschüler haben. Denn sie kümmern sich um die Nachzügler von Anfang an. In Deutschland lässt man sie hängen.

Iglu taugt viel weniger zum Streit als Pisa. Niemand muss über die Systemfrage zetern, weil es nur eine gemeinsame Grundschule gibt. Zudem fallen die deutschen Ergebnisse bei den Viertklässlern viel besser aus. Was kostet es also Frau Hohlmeier sich ihr „Ich bin vorn“ mal zu sparen und zu fragen: Wie kann ich Nachzügler mitnehmen? Und wie können Pisa-Schulen so gut werden wie Iglu-Schulen? CHRISTIAN FÜLLER