DIE ENERGIEPOLITIK DER SPD – IM ANLAUF ZUR ROLLE RÜCKWÄRTS : Mehr Kohle für mehr Atom
In der Energiepolitik sind die Sozialdemokraten von allen guten Geistern verlassen. Im Vorfeld des nationalen Energiegipfels im April machen sie sich für weitere Steinkohlesubventionen stark – und gehen wie Bundesfinanzminister Peer Steinbrück auf Distanz zu nachhaltigen Energieträgern wie etwa der Windkraft. Der Grund für diese Geisterdebatte: Im Ruhrgebiet, in ganz Nordrhein-Westfalen klappt der Schulterschluss zwischen SPD und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie noch immer, ganz nach dem Motto: Was gut ist für die Kohlekumpel, ist auch gut für die SPD.
Die Sozialdemokraten verdrängen dabei allerdings, dass die Bergleute selbst im Ruhrgebiet längst in der Minderheit sind. Die Steinkohleförderung, durch die jährlich rund zwei Milliarden Euro Subventionen versenkt werden, gilt auch im Revier längst nicht mehr als zukunftsfähig. Und die Hartnäckigkeit, mit der die Funktionäre der Bergarbeitergewerkschaft gebetsmühlenartig vor betriebsbedingten Kündigungen warnen, trifft bestenfalls noch auf Kopfschütteln: Schließlich droht auch den Beschäftigten anderer, nicht wettbewerbsfähiger Betriebe die Arbeitslosigkeit, etwa bei Opel in Bochum. Warum sollten also ausgerechnet die Bergleute mit auf Kosten aller besser abgesichert werden?
Durchsetzen könnten sich die Sozialdemokraten beim Energiegipfel dennoch. Die Steinkohle sei eine nationale Energiereserve, argumentieren sie. Deshalb sei der Bund dafür zuständig, den Zugang zu den Lagerstätten offen zu halten – die steinkohlekritische schwarz-gelbe NRW-Landesregierung dagegen müsste nicht mehr zahlen. Und die Gewerkschaft fordert bereits Zusagen bis 2030.
Zwar glaubt niemand, dass die Energieversorgung der Republik jemals wieder von der Steinkohle abhängt, doch deutet sich innerhalb der großen Koalition in Berlin ein Geschäft auf Gegenseitigkeit an: Steinkohlesubventionen gegen längere Laufzeiten von Atommeilern. Denn SPD und die Union träumen von der energiepolitischen Rolle rückwärts – die einen vom Steinkohlebergbau, die anderen von der Atomkraft. ANDREAS WYPUTTA