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Archiv-Artikel

DIE EM VOM NORDEN AUS (6) Wayne’s World

ist nicht der Onkel des Fußballspielers Wayne Rooney und kennt ihn deshalb erst recht in- und auswendig

Martin Rooney

Seit 46 Jahren warten die englischen Fußballfans auf einen Titelgewinn ihrer Nationalmannschaft. Hoffnungsträger ist wie in den vergangenen Jahren Wayne Rooney, der bullige Stürmer von Manchester United. 27 Tore hat der 26-Jährige in der vergangenen Spielzeit der Premier League für seinen Verein erzielt. Nur Robbie van Persie (FC Arsenal) traf zweimal mehr.

Alles auf Rooney: Das war bereits bei der WM 2010 in Südafrika das Motto. Doch für Rooney und die englische Nationalmannschaft war durch eine 1:4-Niederlage gegen Deutschland im Achtelfinale bereits vorzeitig Schluss. Rooney gelang während des Turniers kein einziges Tor, er blieb erheblich unter seinen Möglichkeiten.

Nachdem Rooney im letzten Spiel der EM-Qualifikation den Abwehrrecken Montenegros, Miodrag Dzudoni, bös gefoult und sich einen Platzverweis eingehandelt hatte, sperrte ihn der europäische Verband für die komplette Gruppenphase des Turniers. Nach zähen Verhandlungen des englischen Fußballverbandes mit der Uefa wurde die Sperre jedoch auf die ersten beiden Spiele gegen Frankreich und Schweden reduziert.

Heute nun geht „England’s ace in the hole“, wie Nationaltrainer Roy Hodgson ihn nennt, auf Torjagd gegen die Ukraine. „Wenn ich Wayne Rooney nicht gleich in der Startelf bringe, bricht in der Kabine die Hölle los“, gestand Hodgson kleinlaut.

Es sei nicht ungefährlich, sich dem Stürmerstar zu nähern, weder auf dem Platz noch journalistisch: So was behaupten Außenstehende, meistens Redakteure aus verschnarchten Provinznestern wie London oder München, die sich wahrscheinlich noch nie in der europäischen Hauptstadt des Fußballs, nämlich Manchester, aufgehalten haben. Als Insider kann ich hingegen exklusiv enthüllen: Voll Trauer und Wut ob der Weigerung der Stadtbibliothek Bremen, am 10. Mai mit einer Gedenkveranstaltung an den 30. Todestag des Schriftstellers Peter Weiss – der zwischen 1918 und 1929 in Bremen gelebt hat – zu erinnern, hat sich deswegen Wayne während seiner 12-tägigen Sperre aus Protest gegen diese krasse Fehlentscheidung vorgenommen, Weiss’ 1.000-seitige Romantrilogie „Die Ästhetik des Widerstands“ komplett zu lesen, während sich seine Mannschaftskameraden in ihrer üppig bemessenen Freizeit bei Kicker und Tischtennis entspannen.

Mit eiserner Disziplin widmet sich Wayne seinem beeindruckenden täglichen Lesepensum dieses Jahrhundertwerks. Für ihn gibt es weder Sauftour noch Bunga Bunga Party. Kommt England dank dem widerständigen Torjäger mit der nagelneuen Morrissey-Frisur weiter, sage ich dann nur: Danke, Peter Weiss.