DIE DREI FRAGEZEICHEN : „Eine oft öde Demokratie“
WIE BITTE? Ein Berliner Professor hat den Protest mit Schokopistolen propagiert. Jetzt steht er vor Gericht
taz: Herr Grottian, Sie sollen im Juni 2010 in Lindau am Bodensee zu einem Banküberfall „mit Schokopistolen und unmaskiert“ aufgerufen zu haben. Bekennen Sie sich schuldig? Peter Grottian: Ich bekenne mich überhaupt nicht schuldig. Ich habe einen Vortrag gehalten, wie in 25 anderen Städten auch, in dem ich auf Varianten des zivilen Ungehorsams hingewiesen habe. Damit sollten Verantwortliche der Finanzkrise unter politischen Druck geraten. Der Vortrag hat allen Zuhörern überlassen, welche praktischen Konsequenzen sie ziehen. Einen Banküberfall mit Schokopistolen hat es aber nicht gegeben, dafür symbolische Bankbesetzungen im Herbst 2010 in 13 Städten. Hätten Sie nicht den Strafbefehl von 3.900 Euro zahlen können? Nein. Es ist eine der Perversionen der Entwicklung unserer Gesellschaft, dass Bankenkritiker wie ich vor Gericht landen und die Verursacher der Krise, die Bänker und Politiker, alle straffrei davonkommen werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung vom Januar 2011 bereits klargemacht. Und warum Schokopistolen? Das diente der ironischen Ausmalung meines Vortrags. Beim Thema Waffen aber bleibe ich jetzt dran. In den nächsten Monaten will ich mit dem Bündnis „Aufschrei“ dazu aufrufen, die Auslieferung von 270 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien zu verhindern: mit Blockaden in den Produktionsschmieden in Süddeutschland und NRW. Was für ein Wahnsinnsprojekt! Ziviler Ungehorsam bleibt das Salz in der Suppe einer oft öden Demokratie.
INTERVIEW: KONRAD LITSCHKO
■ Peter Grottian, 69, ist emeritierter Politikprofessor der FU Berlin und politisch sehr aktiv