DIE BUNDESAGENTUR SPART GELD BEI DEN NUR KURZ ERWERBSLOSEN : Falsches „Branding“ für Hartz IV
Auf den ersten Blick Widersprüchliches rauschte dieser Tage über die Nachrichtenagenturen. Einerseits rechnet die Bundesregierung in diesem Jahr weiter mit steigenden Kosten für die Empfänger von Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt. Andererseits aber erwartet die Bundesagentur für Arbeit für dieses Jahr einen Überschuss von 4,5 Milliarden Euro, weil die Zahl der Bezieher von Arbeitslosengeld I zurückgeht. Wie geht das zusammen?
Ganz einfach: Der Anteil der kürzer Joblosen sinkt, was ja erfreulich ist. Gleichzeitig aber steigt die Zahl der Dauerempfänger des Arbeitslosengeldes II. Dies bedeutet nicht nur, dass die Langzeitarbeitslosigkeit zunimmt. Man kann die Entwicklung auch als einen strukturellen Wandel deuten: Was hierzulande unter ALG II firmiert, ist längst nicht mehr ein Überbrückungsgeld für joblose Zeiten, sondern zu einer Art Grundsicherung für ganz unterschiedliche Gruppen geworden.
Dieses Sammelbecken muss sich genau angucken, wer über die steigenden Kosten für Hartz IV jammert. Denn diese Reform ersetzt die Erwerbsunfähigkeitsrente für viele gesundheitlich Angeschlagene, das Vorruhestandsgeld für über 50-Jährige, die Stütze für viele Alleinerziehende, die elterliche Finanzspritze für manche Jüngere, den Kombilohn für viele Geringverdiener. Ein Beispiel: Wenn in Deutschland ein ähnlich hoher Teil der Erwerbsbevölkerung wie in Holland in der Erwerbsunfähigkeitsrente stecken würde, könnte man hierzulande zumindest rein rechnerisch bis zu 3 Millionen Menschen aus der Hartz-IV-Statistik herausnehmen.
ALG II ist also zu einer multifunktionalen Grundsicherung geworden. Es ist daher falsch, Hartz IV nur noch als „Branding“, als Markenname, für sozialen Absturz zu sehen. Stattdessen könnte man die Dinge mal umkehren: Wer in der Hartz-IV-Statistik steht, taucht woanders nicht mehr auf. Nicht in den Krankenständen der Firmen, unter den Beziehern von Arbeitslosengeld I, in der Rentenstatistik. Hartz IV entlastet. Das muss bedenken, wer gerne über die „Kostenexplosion“ der Leistung redet. BARBARA DRIBBUSCH