DIE BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT ZIEHT UNGEREIMTHEITEN AN : Virtuelle und echte Skandale
Die Skandale um die Bundesagentur für Arbeit (BA) funktionieren derzeit so ähnlich wie ihre Online-Stellenbörse: Man sitzt davor und fragt sich: Was davon ist virtuell? Und was ist real? Erst der Rauswurf von BA-Chef Gerster, dann die Pleite des Zeitarbeitvermittlers Maatwerk, und jetzt betreibt die Staatanwaltschaft „Vorermittlungen“, um zu erfahren, ob beim Aufbau des Onlinedienstes der Arbeitsagentur nicht Millionen von Euro veruntreut wurden. Die Staatsanwaltschaft betont, es handele sich noch nicht um richtige „Ermittlungen“, weil es ja keinen Verdächtigen gebe. Aha.
Ein Realitätstest ist dringend erforderlich. Er ergibt Folgendes: Ursprünglich wurden 65 Millionen Euro für den Aufbau der Online-Stellenbörse veranschlagt, jetzt sind es 165 Millionen. Warum die Kosten aus dem Ruder liefen, muss man den Beitragszahlern mal erklären. Beantwortet werden muss auch die Frage nach Einhaltung der Vergaberichtlinien bei den Beraterverträgen – in einschlägigen Prüfungen ist die BA ja inzwischen erfahren. Abzuweisen ist jedoch der Vorwurf, die Online-Stellenbörse der BA sei ein teures, überflüssiges Projekt gewesen, weil es doch schon genug private Online-Jobbörsen gebe. Eine solche Vorhaltung, besonders aus der so genannten neoliberalen Ecke, ist perfide: Wenn die Arbeitsagenturen in Zukunft keinen funktionierenden Online-Stellenmarkt betreiben, käme garantiert immer wieder der hämische Vorwurf, die Behörde arbeite ineffektiv, weil sie ja noch nicht mal eine ordentliche Online-Stellenbörse aufgebaut hätte.
Der Aufbau von Internetbörsen ist immer ein Risiko – schließlich weiß niemand, wie die Dienstleistung angenommen wird. Man muss also unterscheiden zwischen Verschwendung, Pfusch, im schlimmsten Fall Selbstbereicherung einerseits und Anlaufschwierigkeiten, Risiken und Nebenwirkungen andererseits. Immer wieder nur vor allem die Ressentiments aufzukochen gegenüber einer großen Sozialbehörde, die ganz nebenbei auch viel Elend verwalten muss, hilft jedoch nicht weiter – weder der Bundesagentur noch den Millionen, die einen Job suchen. BARBARA DRIBBUSCH