DIE AUTO-INDUSTRIE WIRD NERVÖS – UND KANN PLÖTZLICH FILTER ANBIETEN : Feinstaub ist kein Randproblem mehr
Jetzt also liegt das Kindl im Brunnen. München hat als erste deutsche Stadt gegen die Feinstaubrichtlinie der EU verstoßen. Zwar gestattet Brüssel während einer Übergangsfrist, die strengen Grenzwerte 35-mal im Jahr zu überschreiten. Doch dieses Kontingent ist nun bereits im ersten Quartal erschöpft. Daran lässt sich erkennen, dass das Problem strukturell ist. Feinstaub ist kein ökologisches Randproblem, das ausgesessen werden könnte, sondern eine echte gesundheitliche Gefährdung.
Jetzt hören die Städte den Vorwurf, zu wenig gegen die Staubwolken unternommen zu haben. Damit hat der rot-grüne Chor von Umwelt- und Verkehrspolitikern nicht ganz Unrecht. Zugleich dürfen die Kommunalpolitiker aber mit Hohn reagieren. Denn es war die rot-grüne Koalition, die vor Jahresfrist die Autoindustrie davon entband, sich schnell Gedanken über Rußpartikelfilter zu machen und diese noch schneller in verkaufbare Technik umzusetzen. Statt weitsichtig den Autobauern das Problem zu illustrieren, zeigte Bundeskanzler Gerhard Schröder kurzsichtiges Verständnis für die Abwehrhaltung der Autobauer, die sich einerseits überfordert gaben, andererseits die schlechte Autokonjunktur nicht noch durch Preissteigerungen gefährden wollten. Dass dies geblufft war, macht nun die Branche selber überdeutlich. 2005 statt 2009 – in ihre Neuwagen werden BMW, Mercedes oder Opel nun wesentlich früher serienmäßig Filter einbauen, als sie mit dem Kanzler per Selbstverpflichtung vereinbart hatten.
Kein Wunder. Niemand traut sich derzeit auszuschließen, dass schon in kurzer Zeit filterlose Dieselfahrzeuge bestimmte Hauptverkehrsstraßen nicht mehr befahren dürfen. Zehntausende Autokäufe werden nun verschoben, bis die Filter vorliegen und ihr Preis in der Serienausstattung verschwindet. Oder die Autos werden im Ausland gekauft. Mit Verkehrsleitsystemen, Parkraumbewirtschaftung oder besserer Verkehrsanbindung lässt sich zwar die Emission von Dieselruß verringern. Wirklich in den Griff bekommt man den Krebserreger aber nur mit Filtertechnik. NICK REIMER