DIE ARZNEIKOSTEN LASSEN SICH NUR MIT EINER POSITIVLISTE SENKEN : Große Koalition, kleine Kompromisse
Die Ausgaben für Arzneimittel sind 2005 wieder gestiegen. Von den Beiträgen der Versicherten flossen insgesamt 25,4 Milliarden Euro an die Pharmaindustrie, fast 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Der Grund liegt auf der Hand: der Einfluss der Industrie auf Ärzte und Krankenhäuser ist ungebrochen. Und was tut die Politik? Statt mit vereinter Kraft den Lobbyinteressen der Arzneimittelhersteller entgegenzutreten, streiten sich SPD und Union lauthals über lächerliche Details.
So etwa feilschen sie, wie hoch der Zusatzbeitrag sein darf – 8 Euro oder mehr. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: für die Versicherten ist es wichtig, wie viel sie künftig pro Monat für Gesundheit zahlen müssen. Doch etwaige Zusatzbeträge sind gering im Vergleich zu einigen Milliarden Euro, die mit ordentlichen Strukturreformen eingespart werden könnten. Nur mit Reformen würden Beitragssteigerungen und Zusatzprämien überflüssig. Doch dazu fehlt den Koalitionären entweder der Mut oder der Wille.
Die Regierung hat zwar ein Gesetz gemacht, das Arzneimittelausgaben begrenzen soll. Doch ändert es wenig daran, dass die Industrie weiterhin unkontrolliert neue Produkte auf den Markt werfen kann. Erst wenn sich die neue Pille ein paar tausendmal verkauft hat, ist es möglich zu prüfen, ob sie tatsächlich so neu ist, wie proklamiert wird und der Nutzen den verlangten Preis rechtfertigt. 16.000 Pharmareferenten beackern zuvor Ärzte und Klinikangestellte, damit die den geeigneten Durchblick auf dem Arzneimittelmarkt behalten.
Hier würde eine Liste Abhilfe schaffen, auf der die Mittel stehen, die geprüft, für gut befunden und von den Kassen bezahlt werden. Eine solche Positivliste würde den Ärzten die Arbeit erleichtern, den Pharmareferenten hingegen ordentlich erschweren. Die Idee ist nicht neu: die Union hatte sie und zerriss die Liste schließlich in einer Demutsgeste; die SPD wirbt dafür, traut sich allein aber nicht. SPD und Union zusammen hätten es schaffen können. Sie haben es nicht angepackt. Doch was taugt eine große Koalition, die nur klitzekleine Kompromisse findet? ANNA LEHMANN