DIE 5 QUADRATMETER GROSSEN ZELLEN IN DER JVA TEGEL : Gleich neben der Tür befindet sich das Klo
VON PLUTONIA PLARRE
Eine Zelle ist die kleinste Funktionseinheit biologischer Organismen. Nicht zu verwechseln mit der Gefängniszelle, in der Eingesperrte ihr Dasein fristen. Was beide Zellen gemeinsam haben: Die Größe kann stark variieren. In der Haftanstalt Tegel sind die kleinsten Zellen 5 Quadratmeter groß. Genau gesagt handelt es sich um 5,24 Quadratmeter. 266 Gefangene im Aufnahmehaus I bewohnen solche Minizellen. Der Berliner Verfassungsgerichtshof hat unlängst festgestellt, die Unterbringung auf so kleinem Raum sei menschenrechtswidrig.
Seit 1978 gilt für den Bau von Gefängnissen: Eine Zelle muss mindestens 9 Quadratmeter groß sein. Die Justizanstalt Tegel, Deutschland größtes Männergefängnis, wurde 1889 gebaut. Die kleinen Zellen im Haus I sind ein Überbleibsel aus diesen Zeiten. Drei Schritte bleiben dem Insassen von der Tür zum Fenster. Rausgucken kann er aber nur, wenn er auf das Bett oder einen Stuhl steigt. Viel Licht kommt nicht in die Zelle, das Fenster ist eine vergitterte Luke. Breitet der Insasse die Arme aus, kann er beide Wände berühren. Gleich neben der Tür befindet sich das Klo, dahinter ein Waschbecken, dann kommen Stuhl und Tisch, auf der anderen Seite Bett und Schrank.
Der Beschluss des Verfassungsgerichtshofs stammt vom 3. November 2009. Geklagt hatte ein Gefangener, der inzwischen längst entlassen ist. Der Rechtsstreit hatte sich seit 2004 dahingezogen. Der Mann hatte 93 Tage in der 5-Quadratmeter-Zelle zugebracht. Anders als der Gerichtshof waren die Vorinstanzen der Meinung, eine dreimonatige Verweildauer verstoße noch nicht gegen die Menschenwürde. Das sei erst bei mehr als einem Jahr der Fall, zumal dann, wenn die Perspektive des Insassen unabsehbar sei. Denn das berge die Gefahr, dass sich „eine die Persönlichkeit zerstörende Hoffnungslosigkeit in dem Menschen einnistet“, so das Kammergericht.
Der Verfassungsgerichtshof indes teilte die Sichtweise des Klägers. Der hatte so argumentiert: In der Zelle seien nur 1,2 Quadratmeter nicht mit Möbeln verstellt. Die Mahlzeiten müssten unmittelbar neben dem Klo eingenommen werden, das nur mit einem Plastikvorhang vom übrigen Raum getrennt sei. Wegen „Schmutzanhaftungen am Vorhang und einer nicht sauber zu bekommenden Toilette“ habe es für Wohnverhältnisse unzumutbar gerochen. Das Zellenfenster lasse sich nur schwer öffnen.
„Wenn die Sonne reinscheint, muss man als Knacki rausgehen, weil nicht genug Platz für beide ist“, schreibt ein Redakteur der Tegeler Gefangenenzeitschrift Lichtblick in einem Knast-Abc über die Zellen. Auch der Tegeler Anstaltsleiter Ralf Adam gibt zu: „Die Zellen sind fürchterlich.“ Bis zu Fertigstellung des neuen Männergefängnisses in Großbeeren im Jahr 2012 könne er das Haus I aber nicht schließen. Es gebe zu viele Insassen und zu wenige Haftplätze.
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