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DFB-ElfErfahrene Jugend

Joachim Löw macht Philipp Lahm zum Kapitän, Manuel Neuer zum WM-Torhüter und Bastian Schweinsteiger zu Michael Ballack. Ein Generationswechsel wird vollendet.

Joachim Löw während der Pressekonferenz am 28.Mai. Bild: reuters

Philipp Lahm darf die Binde tragen, Manuel Neuer ist Fußballdeutschlands neue Nummer eins. So wurde es gestern im Trainingslager der Nationalmannschaft in Südtirol verkündet. Der neue Kapitän der Nationalmannschaft ist 26, der Torhüter des FC Schalke 04 erst 24. Schlüsselspieler sind beide schon länger, Neuer in seinem Klub, Lahm beim FC Bayern und in der Nationalmannschaft. Jetzt müssen sie Verantwortung übernehmen in einer Mannschaft, wie sie der DFB noch nie zu einem großen Turnier entsandt hat. Da gibt es keinen vorlauten Haudegen, keinen altklugen Wortführer, einen Weltstar sowieso nicht. Da gibt es eine Menge guter Kicker, aus der der Bundestrainer eine Mannschaft formen darf. Da hat es Löw besser als viele seiner Vorgänger.

So viele gute, zumindest talentierte Fußballer hat das Land schon lange nicht mehr hervorgebracht. Den 23-Mann-Kader für das WM-Turnier muss Joachim Löw am 1. Juni beim Weltfußballverband melden. Einer, der nur mitfährt, weil man irgendwie die Meldeliste füllen muss, wird nicht darunter sein. Dass so viele Leistungsträger nicht älter sind als 26 Jahre, wird keinen wundern, der sich an die desaströsen Tage der Europameisterschaft 2000 erinnert. Schlecht angeführt vom alten Lothar Matthäus als Libero gingen die Deutschen im letzten Gruppenspiel gegen Portugal mit 0:3 unter. Die Deutschen wurden für ihren mittelalterlichen Fußball weltweit belächelt. Der DFB musste reagieren. Seit 2002 gibt es bundesweit 366 Leistungszentren, in denen Jugendlichen von DFB-Trainern moderner Fußball beigebracht wird. Die Europäische Fußballunion hat den DFB im vergangenen Jahr mit der Maurice-Burlaz-Trophäe für die beste Jugendarbeit auf dem Kontinent ausgezeichnet. Jetzt kann Bundestrainer Joachim Löw die Früchte dieser Arbeit ernten. Es kommen welche nach im deutschen Fußball.

So einer ist Manuel Neuer, der heute im Testspiel gegen Ungarn (20 Uhr, ZDF) zum ersten Mal als Deutschlands echte Nummer eins auflaufen darf. Neuer ist, als er 19 war und noch kein einziges Bundesligaspiel bestritten hatte, vom DFB als bester Nachwuchsspieler seines Jahrgangs ausgezeichnet worden. Er ist schon ein Kind des neuen Förderprogramms.

Und doch gibt es sie noch, die Lücke, von der sich damals keiner vorstellen könnte, dass sie jemals geschlossen werden könnte. Christoph Metzelder kann sportlich nicht mehr mithalten mit den Jüngeren, Torsten Frings ist als Oberindianer von Löw nicht mehr gefragt, und Michael Ballack ist verletzt. Klasse-Spieler, die um die 30 Jahre alt sind, sind rar in Deutschland. Zwei davon sind Miroslav Klose, fast 32, und Arne Friedrich, seit heute 31. Sie sollen ihre Erfahrung im Mannschaftsrat einbringen, der für Löw besonders wichtig ist, weil er will, dass "die Verantwortlichkeiten auf mehrere Schultern verteilt wird".

Eine besondere Rolle hat sich Löw für Bastian Schweinsteiger ausgedacht. Der soll "die Rolle von Michael Ballack ausführen", soll der "emotionale Leader" werden, "ein Motor für unsere Mannschaft" sein. Als Vizekapitän ist er ebenso wie Per Mertesacker Mitglied im Mannschaftsrat. Die beiden, Lukas Podolski oder eben Philipp Lahm, sind schon in die großen Turniere geschickt worden, als sie noch nicht viel mehr waren als Perspektivspieler. Sie mussten die Lücke, die der DFB hatte reißen lassen, schließen, bevor sie wirklich ausgereifte Spielerpersönlichkeiten waren. Mittlerweile haben sie alle über 60 Länderspiele. Sie mögen jung sein, erfahren sind sie allemal. Und so ist es alles andere als gewagt, einen Philipp Lahm mit seinen 64 Einsätzen im DFB-Team zum Kapitän zu machen.

Den schätzt der Bundestrainer nicht nur wegen seiner Rolle auf dem Platz, "die er mit großer Klasse ausführt", bei der er es versteht, "die Vorgaben auf dem Platz umzusetzen". Er mag Lahm auch, weil er sich "Gedanken macht über die Art und Weise des Spiels". Und - ganz einfach: "Weil er ihn für "offen und ehrlich" hält. Michael Ballack war Kapitän, als Löw Bundestrainer wurde. Philipp Lahm ist Löws Spielführer - einer, der mit dem Niedergang des deutschen Fußballs um die Jahrtausendwende nun wirklich gar nichts mehr zu tun hat. Er steht für das neue Fußballdeutschland. "Auf ihn kommt sehr viel Verantwortung zu", hat Joachim Löw gesagt.

Der Bundestrainer über den Kapitän

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3 Kommentare

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  • W
    Wüstenratte

    Gute Spieler sind noch lange keine gute Mannschaftund Fußball ist immer noch ein Teamsport!

  • C
    CeheiM

    Super Artikel! Sehe ich von vorne bis hinten genauso! Abgesehen vom "Klasse-Spieler" Arne Friedrich! Dieser ist in meinen Augen die letzte Bastion des grauen Erich-Ribbeck-Zeitalters!

  • N
    Nervenzusammenbruch

    Wenn ich noch einmal die Formulierung »einen Philipp Lahm« lesen muss, zeige ich allen Fussballkommentatoren die rote Karte.

     

    Schafft es denn niemand beispielsweise »jemanden wie Philipp Lahm« zu schreiben?

     

    Ihr verhelft einem Loddar Maddäus zu einem späten Triumph.