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Archiv-Artikel

DEUTSCHE LÖHNE NUR IM MITTELFELD? EINIGEN REICHT DAS NOCH NICHT Was nicht sein darf, das nicht sein kann

Jetzt haben wir es amtlich: Die Arbeitskosten in Deutschland liegen gerade mal im europäischen Mittelfeld. Die Zahlen stammen von der europäischen Statistikbehörde Eurostat und entzaubern den Mythos von den zu hohen Löhnen, die das Hauptübel für die deutsche Arbeitslosigkeit seien. So propagieren es jedenfalls schon seit Jahren der Münchner Wirtschaftsforscher Hans Werner Sinn und seine gleichgesinnten Fachkollegen.

Nun sollten auch eingefleischte Neoliberale an den statistischen Daten aus Luxemburg nichts zu mäkeln haben. Doch die eindeutige Sprache der Zahlen lässt Sinn & Co. kalt. Auch die mäßigen Lohnkosten in Deutschland sind in ihrem ökonomischen Weltbild noch zu hoch. Ihr ökonomisches Weltbild wird zu einer Art Zwangsjacke. Gegen Empirie resistent, spielt es für sie keine Rolle, dass Deutschland bereits die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt ist. Auch scheint es ihm noch immer vernachlässigbar, dass die Einkommen seit zehn Jahren in keinem europäischen Land so gering gestiegen sind wie bei uns. Ein zwanzigjähriges Mantra der Lohnsenkung mag Hirne weich kochen – Arbeitsplätze entstehen so nicht.

Auch in Zukunft sollen also die Löhne weiter sinken. Denn die neoliberale Lehre postuliert, dass Löhne nur Kosten darstellen. Sie ist blind für die Tatsache, dass Löhne maßgeblich auch die Nachfrage einer Volkswirtschaft bestimmen. Wer nur auf sinkende Löhne setzt, produziert deshalb Arbeitslosigkeit.

Das neoliberale Dogma ähnelt dem Versuch, moderne Physik mit der Annahme zu betreiben, dass die Erde eine Scheibe ist. Die fundamentalen Annahmen neoliberaler Weltsicht sind so falsch, dass Neoliberalismus der Mehrheit der Bevölkerung immer wieder schaden wird. Ihren eigentlichen Zweck kann sie dennoch erreichen: als Bereicherungsideologie für die kleine Gruppe der Profiteure. Ihnen liefert Neoliberalismus eine pseudowissenschaftliche Begründung dafür, dass die Armen immer mehr verzichten müssen, damit die Reichen noch mehr bekommen. TARIK AHMIA