DER VIETNAMKRIEG AUS SICHT DER DDR : Ein Film wie ein Verhör
„Piloten im Pyjama“ (DDR 1966; Regie: Walter Heynowski, Gerhard Scheumann)
Walter Heynowski und Gerhard Scheumann waren in der DDR so etwas wie eine Marke. Unter dem Dach der Defa hatten sie ihr eigenes „Studio H & S“, das nicht nur im Land selbst, sondern auch im Ausland bekannt war. Die beiden machten international beachtete Dokumentationen, waren aber ideologisch verlässlich, jedenfalls bis zu einer etwas zu kritischen Rede Scheumanns im Jahr 1982.
Berühmt gemacht hatte sie 1966 der Film „Der lachende Mann – Bekenntnisse eines Mörders“, der den westdeutschen Söldner Werner Müller, genannt „Kongo-Müller“, im Interview präsentierte: einen Folterer und vielfachen Mörder bei der Unterdrückung des Zimba-Aufstands im Kongo, der vor der Kamera lachte und trank und sich sehr leutselig und friedfertig gab – in puncto bizarrer Selbstwahrnehmung ein früher Vorläufer der indonesischen Schlächter im oscarnominierten „Act of Killing“.
Aus ihrem ideologischen Standpunkt machen H & S in diesem wie in ihren anderen Filmen kein Geheimnis. Die Aufführung von „Der lachende Mann“ war im Westen Deutschlands verboten. Zwei Jahre später dann unternahmen Heynowski und Scheumann ein Projekt an einer anderen, stärker im Fokus der Weltöffentlichkeit stehenden Front. Sie flogen mit ihrem Team nach Nordvietnam, um von der vietnamesischen Armee abgeschossene und in Kriegsgefangenschaft genommene US-Piloten zu interviewen. Das Ergebnis ist eine fürs Fernsehen der DDR gedrehte Serie in vier Teilen, fast fünf Stunden lang, eine Dokumentation als Agitation gegen den Krieg, den Westen, vor allem natürlich die USA.
Zehn Männer der Army zeigten sich zu diesen Gesprächen bereit. In kahlen Räumen sitzen sie auf einem Stuhl vor der Wand, in Gefängniskleidung, daher die Pyjamas im Titel. Diese Befragungen dominieren den Film. Der Ton ist sachlich, die Gespräche wurden mit Dolmetschern geführt, auf der DVD gibt es sowohl den Originalton als auch die sehr sorgfältige Synchronisation zu hören, die damals im DDR-Fernsehen lief. Bei aller Sachlichkeit und weitgehenden Freundlichkeit im Ton jedoch hat das Ganze sehr viel mehr von einem Verhör als von einem gleichberechtigten Gespräch.
Die moralische Verurteilung der Piloten steht von vornherein fest, der sehr präsente Kommentar aus dem Off lässt an der Deutung von Details und schon gar der Verteilung von Gut und Böse in diesem Krieg keine Zweifel. Die kaum weniger präsente martialische Orchestermusik von Reiner Bredemeyer macht die Stimmung dazu.
Es beginnt mit Befragungen zur Person, aber auch zu den Flugzeugtypen, der Zahl der Abschüsse und so weiter. Die Männer haben unterschiedliche Dienstgrade, vom First Lieutenant bis zum Colonel – aber nicht darüber hinaus. Sie werden als politisch weitgehend ahnungslose, sich christlich gebende „Ingenieure der Vernichtung“ vorgeführt. Weil sie offen antworten (oder zu antworten scheinen) und weil ihre Arglosigkeit echt scheint, wirken sie durchaus sympathisch, das lässt der Film in Grenzen auch zu. Dagegen stellt er die Wirkungen der Clusterbomben vor Augen, zeigt verstümmelte Opfer, die sinnlosen Brutalitäten der amerikanischen Armee. Dem meisten davon wird man aus heutiger Sicht kaum widersprechen. An der Grenze zur Lächerlichkeit bewegt sich dagegen die Quasiheiligsprechung der Vietnamesen, von deren Umgang mit dem Feind es heißt: „Wenn er die Waffe gesenkt hat, erfährt er unsere sozialistische Humanität.“
„Piloten im Pyjama“ ist aus all diesen Gründen ein doppeltes Dokument: ein propagandistisches Agitationsstück, dessen Perspektive auf die amerikanischen Verbrechen in Vietnam sich in vielen Teilen mit der heute dominierenden Sicht deckt. Das Herangehen der Filmemacher ist darum nicht weniger dogmatisch. Man kann das bis heute ziemlich hin- und hergerissen betrachten.
EKKEHARD KNÖRER
■ Die DVD ist für rund 20 Euro im Handel. Mitte April erscheint bei Absolut Medien eine Werkausgabe von Heynowski und Scheumann