piwik no script img

Archiv-Artikel

DER RUSSFILTER-KOMPROMISS WURDE IN LETZTER SEKUNDE GERETTET Späte Einsicht

Zum ersten Mal seit Anfang der Neunziger gibt es dieses Jahr bislang keine Steuerentlastung für Autobesitzer, die besonders abgasarme Fahrzeuge fahren. Ausgerechnet unter Rot-Grün. Gestern immerhin hat die Koalition sich durchgerungen, Dieselneuwagen mit Rußfiltern schon ab diesem Jahr zu fördern – durch einen rückwirkenden Steuererlass ab 2006. Das war höchste Zeit.

Die Bundesregierung hatte sich beim Dieselfilter nicht gerade hervorgetan: Es wurde verdrängt, verschoben, verschwiegen. Verdrängt wurde die Zahl tausender Tode, die vermeidbar wären, wenn die giftigen Rußpartikel endlich aus dem Abgas gefiltert würden. Verschoben wurde der Termin: Zunächst kämpfte der Kanzler an der Seite von VW gegen den Filter an sich. Dann stand Hans Eichel auf der Bremse.

Verschwiegen schließlich wurden die Motive. Geredet wurde von „innermotorischen Lösungen“ und von „Steuereinbußen“. Dabei ging es immer nur um Protektion für deutsche Autobauer, die diese Innovation verschlafen hatten. Protektion vor allem für VW, das es schon ohne Förderbeschluss nicht schaffte, den Wünschen seiner Kunden nach sauberen Dieselfahrzeugen nachzukommen. VW ist zudem der einzige deutsche Hersteller, der seine Abgasanlagen noch im eigenen Konzern fertigt – übrigens in Baunatal bei Kassel, wo Eichel einst Oberbürgermeister war.

Eichel setzte sich gestern Mittag ein letztes Mal in der Koalitionsrunde beim Kanzler durch und verhinderte einen Förderbeschluss schon für dieses Jahr. Als am Nachmittag die ersten Reaktionen publik wurden und die Grünen noch mal Druck machten, dämmerte es Eichel wohl, dass er seinen bornierten Kurs nicht durchhalten konnte. Der Finanzminister lenkte ein.

Noch immer hat sein Entwurf Schwächen. So ist die Fördersumme für die Nachrüstungen alter Diesel viel zu niedrig. Vor allem aber sollte die Regierung das Rußproblem endlich in ganzer Breite angehen: Zwei Drittel des Rußes stammt aus Lastwagen und Bussen. Bislang sind bloß ein paar hundert Stadtbusse mit Rußfilter ausgestattet. Höchste Zeit, die Augen auch davor nicht länger zu verschließen. MATTHIAS URBACH