DER RECHTE RANDWIE SICH EIN VORBESTRAFTER NEONAZI VOR GERICHT DARSTELLT : Nichts als Notwehr
„Ich hätte wohl nicht das Messer ziehen sollen“: Vor dem Landgericht Stade zeigte sich Stefan Silar, Betreiber des Neonazi-Szeneladens „Streetwear Tostedt“, gestern betont reumütig. Kein Wunder: In der Berufungsverhandlung geht es um einiges für den Vorbestraften, nachdem ihn das Schöffengericht Tostedt in der ersten Instanz wegen schweren Landfriedensbruches zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt hatte.
Und so trug Silar gestern in Saal 109 auch nicht den einschlägigen Szene-Chic, den er vertreibt. Erkennbar bemühte sich der 37-Jährige darum, einen guten Eindruck zu erwecken. Und kündigte sogar an, sich zu den Vorfällen am Pfingstmontag 2010 äußern zu wollen. Damals demonstrierten etwa 70 Menschen gegen den „Streetwear“-Laden. Silar hatte sich vorab an die Polizei gewandt und zudem rund 20 Kameraden alarmiert.
Unweit des Geschäfts trafen Sympathisanten und Gegner aufeinander: Zusammen mit mehreren Kameraden habe Silar die Polizeikette durchbrochen, so befand seinerzeit das Gericht, und einen Demonstranten mit einem Klappmesser mit 20-Zentimeter-Klinge bedroht.
Bevor Silar gestern selbst sprach, handelte sein Verteidiger aus, dass eine Bewährungsstrafe möglich sei, sollte Silar gestehen – und den Laden aufgeben. So ermuntert, erzählte Silar, er sei damals unter anderem mit dem Messer aus dem Laden gekommen, weil er sich bedroht gefühlt habe.
Die Polizeikräfte habe er bloß umlaufen und dann auf einmal vor einem Demonstranten gestanden. Aus Sorge, die Wohnung eines Kameraden könnte angegriffen werden, sei er dem abziehenden Protestzug hinterhergelaufen und von einem Beamten gestoppt worden.
Aus Sicht des Stader Gerichts war all das „keine geständige Einlassung im Sinne der Anklage“, der Landfriedensbruch nicht eingeräumt. Die Beweisaufnahme wird fortgesetzt.
Hinweis: ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland