piwik no script img

Archiv-Artikel

DER RECHTE RAND WAS PASSIEREN KANN, WENN MAN EINE HAKENKREUZFAHNE ANZEIGT Blick durchs Fenster

Ein Hakenkreuz ist ein Hakenkreuz ist ein Hakenkreuz. In der Öffentlichkeit darf dieses Kreuz, das in der deutschen Geschichte unauflösbar für die Zeit des Nationalsozialismus steht, nicht gezeigt werden. Daher dachten zwei Jugendliche in Göttingen, am Pfingstwochenende eine Straftat bemerkt zu haben. Sie riefen die Polizei – und wurden plötzlich von Rechtsextremisten verfolgt.

Im Stadtteil Geismar waren die Jugendlichen an einem Haus in der „Hauptstraße“ vorbeigekommen. Darin lebt Dietrich Brosenne, der mal auf Kommunalebene für die NPD kandidierte, mit seiner Familie; auch seine Söhne bewegen sich in der rechten Szene. Durch ein Fenster sahen die beiden Jugendlichen in einem Zimmer zunächst mehrere Personen – und eine Hakenkreuzfahne. Sie riefen bei der Polizei an, die auch umgehend kam: Zwei Beamte hätten sich die Situation schildern lassen, erzählten die beiden Jugendlichen nachher der örtlichen Antifaschistischen Linken International (ALI). Die Polizisten seien aber nicht eingeschritten, sagt eine ALI-Sprecherin, hätten nicht einmal an der Tür des betreffenden Hauses geklingelt.

Drinnen wurde der Polizeieinsatz offenbar trotzdem bemerkt: Kaum waren die Beamten wieder weg, seien eine ältere und eine jüngere Person nach draußen gekommen, erzählen die Jugendlichen. Sie selbst waren da schon etwas vom Haus entfernt, begannen zu rennen. Von einer Hetzjagd ist die Rede, an deren Ende die Jugendlichen sich eine halbe Stunde lang in einem fremden Garten versteckten. „Die Polizei hätte sofort eingreifen müssen“, erklärt die ALI, „und sie hätte die Jugendlichen nicht alleine stehen lassen dürfen.“

„Der Vorfall ist bekannt“, sagt eine Polizeisprecherin auf taz-Nachfrage und verweist auf die Staatsanwaltschaft. „Ja, Ermittlungen laufen“, heißt es dort: gegen die Bewohner des Hauses in der Hauptstraße – wegen Volksverhetzung.

■ ANDREAS SPEIT arbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland