DER POLIZEI MUSS DER EINSATZ VON BRECHMITTELN VERBOTEN WERDEN : Gefährlich, entwürdigend, unnötig
Nur zwei Stunden befinden sich verschluckte Drogenpäckchen im Magen, dann wandern sie in den Darm. Der Brechmitteleinsatz muss also schnell vor sich gehen. Er wird immer in Hektik stattfinden. An vernünftige Voruntersuchungen der Verdächtigen ist nicht zu denken. Schon das führt zu unannehmbaren Risiken. Wie die zwei Todesfälle in Hamburg und Bremen gezeigt haben, ist es lebensgefährlich, eine Magensonde bei sich heftig wehrenden Gefangenen zu legen.
Der Brechmitteleinsatz bei der Polizei ist deshalb abzuschaffen. Er ist gefährlich, entwürdigend und unnötig. Nach dem zweiten Todesfall in drei Jahren kann nicht mehr von bedauernswerten Einzelfällen gesprochen werden. Vielmehr ist die ganze Methode unzulässig. Dass es auch anders geht, zeigen zahlreiche Länderpolizeien, die auf das natürliche Ausscheiden verschluckter Drogenpäckchen warten. Wenn selbst Bayern auf Brechmittel verzichtet, dann kann es wohl wirklich keine polizeiliche Notwendigkeit dafür geben.
Es bleibt deshalb der Vorwurf, dass es der Polizei im Norden um eine gezielte Machtdemonstration fürs Publikum geht: „Wir lassen die Dealer kotzen.“ Das Erbrechen wäre demnach nicht die unangenehme Begleiterscheinung einer notwendigen Beweiserhebung, sondern Zweck an sich. Wie im Hollywood-Film wird der Ermittler auch gleich zum Vollstrecker. Mit rechtsstaatlichem Denken hat das nichts zu tun. Dass die Maßnahme fast nur bei Schwarzafrikanern angewandt wird, legt nahe, dass hier auch Rassismus eine Rolle spielt.
Bei der (ebenso rechtswidrigen) Folterdrohung des Frankfurter Vizepolizeipräsidenten Wolfgang Daschner gegenüber einem kaltblütigen Entführer galt die Maxime „Der Zweck heiligt die Mittel“. Beim Brechmitteleinsatz scheint dagegen die Widerlichkeit der Methode der eigentliche Zweck zu sein. Bei Polizei und Publikum fehlt es dabei in erschreckender Weise an Respekt für die Verdächtigen. Der Brechmitteleinsatz steht damit in einer Reihe mit den vielen von amnesty international dokumentierten Fällen von Polizeigewalt im Einsatz. Das Wesen der Menschenwürde ist aber, dass sie jedem zukommt – völlig unabhängig von Wohl- oder Fehlverhalten. CHRISTIAN RATH