DER JOBMARKT HELLT SICH WEITER AUF. NUN GEHT ES UM LEBENSPLANUNG : Die neue soziale Frage
Noch vor wenigen Jahren galt der Glaubenssatz auch bei rot-grünen PolitikerInnen, dass jeder Job besser sei als gar keiner. Dass nichts schlimmer sei, als jahrelang auf Stütze herumzuhängen. An diesem Glaubenssatz war zweifellos etwas dran. Viele Leute, auch aus der akademischen Mittelschicht, kennen in ihrem Umfeld die ABM-Betroffenen, also Menschen, die sich in ihrem Leben immer wieder auf geförderte Maßnahmen vom Arbeitsamt verlassen haben und jetzt dauerhaft in der Armut festsitzen. Dass die Zahl der Arbeitslosen nach dem neuesten Monatsbericht saisonbereinigt weiter sinkt, ist somit eine gute Nachricht. Wer nicht aufgegeben hat, findet heute wieder leichter einen Job. Die eigene Erwerbsbiografie selbst verantwortlich zu planen, ist die richtige Idee. Die Gefahr droht jetzt von anderer Seite: Mancherorts zeigt sich, dass solche Planung vielleicht gar nicht lohnt. Und das ist das neue soziale Thema.
Ein Beispiel: 20 Prozent der bei den Jobcentern gemeldeten Stellen sind Leiharbeit, meist deutlich schlechter bezahlt als reguläre Jobs. Aber selbst wer 1.100 Euro netto verdient, kann nichts zurücklegen fürs Alter und erwirbt nur geringe Rentenansprüche. Gerade die jüngste Debatte um Sinn und Unsinn der privaten Altersvorsorge hat gezeigt, dass die Frage der Bezahlung nichts zu tun hat mit Konsumgier, sondern über Zukunftschancen entscheidet, also über die Planbarkeit des Lebens.
Tagelöhnertum und Niedrigentgelte finden sich dabei zunehmend im Dienstleistungssektor. Dort drängen sich angelernte Kräfte, weil die Industrie zunehmend nur noch qualifizierte Leute beschäftigt. Deswegen bewegen sich die Löhne für Wachleute und VerkäuferInnen knapp über Hartz-IV-Niveau. Die Kluft zwischen Dienstleistungsproletariat und höheren Verdienstgruppen wird künftig noch schärfer ins Blickfeld geraten.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat die Debatte um einen Mindestlohn den Streit über die Langzeiterwerbslosigkeit verdrängt. Nicht, weil so viele vom Niedriglohn unter 7,50 Euro brutto direkt betroffen wären. Sondern weil es in dieser Debatte um Geld geht. Und um dessen Verknüpfung mit Arbeit, Würde und Zukunftschancen. Wie dieses Zusammenspiel künftig gestaltet werden kann, ist die entscheidende politische Frage. Angesichts dieser Frage könnte die monatliche Verkündung der Arbeitslosenzahlen vielleicht bald nur noch als Fußnote erscheinen. BARBARA DRIBBUSCH