DER GENERALBUNDESANWALT STEHT DERZEIT ZU UNRECHT UNTER BESCHUSS : Respekt für Kay Nehm
In diesen Tagen will niemand mit Kay Nehm tauschen. Einerseits droht ihm im Prozess gegen den vermeintlichen Hamburger Terroristenhelfer Mounir al-Motassadeq eine neue juristische Niederlage, zum anderen stellen gleich mehrere Medien seine Kompetenz in Frage. Es verwalte zu viel und jage zu wenig, moniert die Süddeutsche Zeitung, und der Spiegel zitiert aus Regierungskreisen, dass Nehm ein „Ausfall“ sei. Beides ist falsch. Dass Nehm auch beißen kann, hat er in den letzten Jahren im Kampf gegen rechte Gewalttäter gezeigt.
Mehrfach übernahm er die Ermittlungen, um ein Signal zu setzen, dass die deutsche Justiz solche Taten besonders ernst nimmt. Ansonsten tut es Deutschland durchaus gut, dass der oberste Strafverfolger kein Heißsporn ist, dem es nur um Erfolge für die Statistik geht. Nehm ist einer, der immer noch einen Anfangsverdacht verlangt, wo andere einfach mal drauflosermitteln würden.
Das hat ihm nach den Anschlägen vom 11. 9. 2001 viel Ärger eingebracht. Und ihn vielleicht auch dazu verleitet, bei der Anklage gegen Mounir al-Motassadeq und dessen marokkanischen Landsmann Abdelghani Mzoudi etwas zu forsch vorzugehen. Objektiv haben diese nicht mehr getan, als den Attentätern von New York und Washington Freundschaftsdienste zu leisten. Strafbar wäre das nur, wenn nachweisbar ist, dass sie die Anschlagspläne kannten. Die Anklage war also von vornherein etwas wackelig. Doch dass Nehm auf diesem Feld bisher so wenig Erfolg hat, liegt auch an der sturen Haltung der USA, die wichtige Zeugen und Verhörprotokolle blockieren. Das kann man dem Generalbundesanwalt wirklich nicht vorwerfen.
Am meisten nimmt ihm die Bundesregierung aber wohl übel, dass Nehm darauf beharrt, die 9/11-Anschläge seien in Hamburg mit ausgedacht worden, nicht allein in der Al-Qaida-Spitze. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die deutschen Sicherheitsdienste und steht im Widerspruch zur Sichtweise des Verfassungsschutzes. Man muss Nehms These nicht teilen. Aber er verdient Respekt dafür, dass er sich dem Druck der Politik nicht einfach gebeugt hat. CHRISTIAN RATH