DEPRESSIONEN : Diagnose: armVerarmte Seele
ZAHLEN Jeder siebte Mensch in diesem Land ist arm, durch das Sparpaket könnten es noch mehr werden. Armut macht krank – wie, das sehen Sie hier
■ Die Krankheit: Nach Auswertungen des Robert-Koch-Instituts leiden arme Menschen doppelt so häufig an Depressionen wie andere. Antriebslosigkeit, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen bestimmen den Alltag depressiver Menschen.
■ Ursache: Besonders von Armut betroffen sind Arbeitslose, Alleinerziehende und MigrantInnen. Ihre Lebensumstände bergen hohe psychische Belastungen. Stress, Überforderung, geringe Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und Entwurzelung tragen entscheidend zum Entstehen von Depressionen bei.
■ Folgen: Wenn die Seele krank ist, leidet auch der Körper. Psychosomatische Erkrankungen sind die Folge. Die Chance, sich selbst aus der Krankheit zu befreien, wird immer geringer. Die Selbstmordrate ist bei Langzeitarbeitslosen um ein Vielfaches höher als bei Erwerbstätigen.
■ Trend: Die Zahl der depressiven Armen ist hoch, aber Experten gehen davon aus, dass die Dunkelziffer noch wesentlich höher ist. Der Grund: Oft fehlt das Bewusstsein für die Krankheit, und deshalb wird nicht nach Hilfe gesucht. MANUELA HEIM
ATEMWEGSERKRANKUNGEN
Tödlicher Qualm
■ Die Krankheit: Chronische Atemwegserkrankungen treffen ärmere Menschen zweimal häufiger. Männer aus der niedrigsten Einkommensschicht erkranken im Vergleich zur höchsten siebenmal häufiger an Lungenkrebs.
■ Ursache: Neben einem allgemein schlechteren Gesundheitszustand ist Rauchen die Hauptursache für Atemwegserkrankungen bei armen Menschen. So raucht zum Beispiel mehr als jeder zweite Erwerbslose. Bei den Erwerbstätigen ist es nicht einmal jeder Dritte.
■ Folgen: Chronische Bronchitis kann in Asthma enden, starker Tabakkonsum in Lungenkrebs.
■ Trend: Während die Zahl der Raucher insgesamt sinkt, ist sie bei Menschen aus ärmeren Schichten seit Jahren gleich hoch. MAH
ADIPOSITAS
Schwerer Körper
■ Die Krankheit: War Übergewicht früher ein Privileg der Reichen, so leiden heute immer häufiger ärmere Menschen an krankhaftem Übergewicht. Adipositas, so der medizinische Fachbegriff, liegt nach WHO-Definition vor, wenn der Body Mass Index 30 Kilogramm pro (Körpergröße in Meter)[2]überschreitet, wenn also zum Beispiel eine 1,70 Meter große Person mehr als 102 Kilo auf die Waage bringt. Arme Menschen erkranken zwei- bis dreimal so häufig an Adipositas wie andere.
■ Ursache: Erstens: Zu viel und zu fettes Essen. Fertiggerichte und Fastfood gelten mit ihrem hohen Salz-, Fett- und Zuckergehalt als Hauptursache für Übergewicht. Zweitens: Bewegungsmangel. Arme Menschen treiben deutlich weniger Sport.
■ Folgen: Starkes Übergewicht verursacht unter anderem Gelenk- und Rückenbeschwerden, Herz-Kreislauf-Probleme, Bluthochdruck und Diabetes. Stark Übergewichtige sterben rund zehn Jahre früher.
■ Trend: Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist ein klarer Negativtrend sichtbar: Der Anteil der adipösen Kinder und Jugendlichen hat sich in den letzten fünfzehn Jahren verdoppelt. Zwar wird hier nicht nach Einkommen unterschieden, aber in einkommensschwachen Familien dürfte dieser Trend noch deutlicher sein. MAH
HERZ & KREISLAUF
Krankes Herz
■ Die Krankheit: Die wichtigsten Vertreter der Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Herzinfarkt und Schlaganfall. Und die treten bei armen Menschen zweimal häufiger auf als beim Rest der Bevölkerung.
■ Ursache: Herzinfarkt und Schlaganfall werden vor allem durch Arteriosklerose, einer Verengung der Blutgefäße, verursacht. Die wiederum tritt vor allem bei Rauchern, Menschen mit Bluthochdruck, hohem Cholesterinspiegel, Adipositas, Diabetes, Bewegungsmangel und ungesundem Stress auf. Alles Risikofaktoren, die bei armen Menschen vermehrt auftreten. Hinzu kommt: Arme Menschen gehen seltener zum Arzt, vor allem seit Einführung der Praxisgebühr.
■ Folgen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Todesursache Nummer eins in Deutschland. Dass sie bei armen Menschen häufiger auftreten, trägt wesentlich zu deren kürzerer Lebenserwartung bei.
■ Trend: Während Mittel- und Oberschicht immer gesundheitsbewusster leben, bleiben ärmere Menschen im Teufelskreis aus ungesunder Lebensweise, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und frühzeitiger Sterblichkeitgefangen. MAH