■ DDR-Doping: Gewichtheber geht vor Bundesgerichtshof
Dresden (dpa) – Doping in der DDR beschäftigt nun auch den Bundesgerichtshof. In einem Präzendenzfall müssen sich die Bundesrichter erstmals mit einem Fall auseinandersetzen, in dem ein ehemaliger DDR-Sportler wegen gesundheitlicher Schäden aufgrund einer Dopingbehandlung nicht nur gegen seine damaligen Sportärzte, sondern auch gegen die Bundesrepublik Deutschland klagt. Das sächsische Oberlandesgericht (OLG) hat gestern die Schmerzensgeldklage des Gewichthebers Roland Schmidt zwar abgewiesen, aber gleichzeitig dem Revisionsantrag des Klägers stattgegeben und damit den Weg zum Bundesgerichtshof geebnet.
Schmidt hatte gegen den früheren Klubarzt des SC Einheit Dresden, Theodor Härtel, und den damaligen Chefarzt des DDR-Gewichtheberverbandes, Hans-Henning Lathan, geklagt. Außerdem soll die Bundesrepublik für die Gesundheitsschäden haften. Der Sportler war während seiner aktiven Zeit mit Anabolika behandelt worden. Daraufhin war eine Verweiblichung der Brust eingetreten, die 1983 operativ behoben wurde und zwei fünf Zentimeter lange Narben hinterließ. Schmidt streitet ab, von den Nebenwirkungen gewußt zu haben. Die beiden Ärzte weisen die Vorwürfe zurück. Sie hätten den Sportler ordnungsgemäß aufgeklärt.
Dopende DDR-Sportärzte können nach Auffassung des Oberlandesgerichts nicht haftbar gemacht werden, da für sie DDR-Recht gelte. Auch die Bundesrepublik könne nicht in die Verantwortung genommen werden. Eine Funktionsnachfolge liege nicht vor, da die Bundesrepublik das staatlich gelenkte Sportsystem der DDR nicht fortgeführt habe, hieß es in der Begründung des OLG.
Schmidts Rechtsanwalt wertete das Urteil trotzdem positiv. „Die Zulassung der Revision gegen alle drei Beklagten ist mehr, als wir erwartet hatten“, sagte Jürgen Schwarz. Die Weitergabe des Falls an das Bundesgericht spiegele bei einem so geringem Streitwert (20.000 Mark) die Rechtsunsicherheit wider. „Wir haben vor dem Bundesgericht große Chancen auf Erfolg, mindestens 50:50.“ Zur Not werde man bis vor das Verfassungsgericht ziehen. Es könne nicht angehen, daß sich die Bundesrepublik die besten Brocken des DDR-Sports nehme, aber die Altlasten abweise. Falls am Ende der Instanzenkette ein Urteil im Sinne des Klägers stehe, rechnen die Anwälte mit einer Reihe ähnlicher Klagen.
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