DAS WIRD DER MONAT, DER WIRD (6) : In weißen Uniformen
VORSCHAU Heute mit drei Sandgruben, einem großem Partisanenkampf, dehydrierten Briten und viel Fußball-Deutschtum
Mönchengladbach, 1. Juni: Nach dem 5:0 im Testspiel gegen Kameruns übermüdete B-Elf sieht sich die deutsche Fußball-Nationalelf für die WM gewappnet. Sogar Joachim Löw („das war phasenweise högschd ordentlich“) wird beim Lächeln erwischt. Der frühere Autofahrer schließt im Übrigen aus, nach der WM Nachfolger von Pep Guardiola beim FC Bayern zu werden, der Tags zuvor wegen „unerwarteter Fehlbarkeit“ überraschend verjagt worden war. „Die Anfrage ehrt mich, aber die Münchner schaffen die Titelverteidigung auch ohne meine 18 Punkte als Startpolster.“
Lemiers, 7. Juni: Hobbyfußballer Dieter Becker bestreitet bei der Deutschen Alternativ-Meisterschaft, die erneut in Holland ausgetragen wird, sein 1000. Spiel für Aachens Altmeister Partisan Eifelstraße. Bundespräsident Gauck lobt in seiner Grußbotschaft Beckers „ehrenvolle Bestmarke für die Ewigkeit, und das auch noch an seinem Namenstag“. Der 58-Jährige zieht sich beim Anstoß allerdings eine schmerzhafte Faserbündelermüdungszerrung am Kreuzschambeinköpfchen zu. „Ich war so nervös“, sagt Becker bei seiner internationalen Pressekonferenz, „da hat der ganze Bewegungsapparat rebelliert.“
Lemiers, 8. Juni: Meister werden Zimt & Zunder (Berlin) durch ein 5:4 gegen Natural Born Kickers Kassel. Dieter Becker macht als Final-Schiedsrichter auch mit Krücken eine gute Figur.
Schlattli, 9. Juni: Zum alljährlichen „Stoos schwinget“ lädt der Eidgenössische Schwingerverband wieder in drei Sandgruben der innerschweizer Bergwelt. Das Programm sieht vor: „9 Uhr Anschwingen, 13.15 Uhr Ausschwingen, 14 Uhr Steinstoßen 40 kg und Alpenröslistein.“ Danach wird der Höhepunkt erwartet: „15.30 Uhr Rangverkündigung für Schwinger, die den Ausstich nicht erreicht haben.“ Die Deutsche Presse-Agentur dpa will eine Erkundungs-Expedition aussenden.
São Paulo, 12. Juni: Die Fußball-WM beginnt. In einigen Stadien werden noch Elektroleitungen verlegt, zehntausende Plastiksitze im Akkord verschraubt und Rasen ausgesät. Letzte Arbeiter sterben. Proteste werden erfolgreich niedergeknüppelt. Beim Eröffnungsspiel Brasilien-Kroatien (1:1) werden die Toiletten schon nach der ersten Halbzeit freigegeben.
Manaus, 16. Juni: Altphilosoph Gary Lineker hatte vorher geunkt: „Da ist Elfmeterschießen gegen Deutschland entspannender.“ Tatsächlich nimmt das Spiel Italien-England bei 34 Grad und gefühlt 334 Prozent Luftfeuchtigkeit den erwarteten Verlauf: Italien verteidigt witterungsclever im Stand-Catenaccio, die rotwangigen Engländer rennen so lange, bis sie sich mit glühenden Gesichtern am Spielfeldrand in mobilen Sauerstoffzelten übergeben. Wayne Rooney muss sogar in die Notambulanz. Italien gewinnt 1:0. „Dafür sind wir Insulaner nicht gemacht“, facebookt Gareth Bale, „ich bin richtig froh, Waliser zu sein“.
London, 20. Juni: Angeblich soll am kommenden Montag im Ortsteil Wimbledon ein angeblich wichtiges Sportevent mit weißen Uniformen beginnen. Niemand nimmt davon Notiz. „Wird wohl so was wie Cricket sein“, vermuten Ethnologen. dpa verspricht, einen Erkundungstrupp auszusenden.
Recife, 26. Juni: Deutschland qualifiziert sich nach zwei taumelhaften Unentschieden gegen Portugal (2:2) und Ghana (3:3) durch ein 0:0 gegen die überlegenen USA für das Achtelfinale. Gegen die eigene Vergangenheit (US-Trainer Klinsmann/Vogts) helfen nur die geballten deutschen Tugenden alter Art. Löw nennt das „situationsbedingten, defensiven Konzeptfußball“.
Salvador, 30. Juni: Vor dem Achtelfinale am 1. Juli gegen Geheimfavorit Belgien (drei spielstarke Vorrundensiege) erliegt Deutschland einer Debatte über Fußballästhetismus. „Rumpelkickerei wie vor 20 Jahren“ beklagen Kritiker, sieh hatten „Schönheit, Niveau und Spielkompetenz“ erwartet. Nur Franz Beckenbauer weiß Bescheid: „Der Deutsche ist nun mal kein Anderländer.“ BERND MÜLLENDER