DAS WELTSOZIALFORUM IST AN DIE GRENZE DER SINNHAFTIGKEIT GESTOSSEN : Schont die Ressourcen
Das seit 1971 veranstaltete „Weltwirtschaftsforum“ in Davos ist längst zu einem folgenlosen Jahrmarkt der Eitelkeiten verkommen. Eine überwiegend westliche und fast ausschließlich männliche Elite aus Politik und Wirtschaft palavert in schöner Unverbindlichkeit über globale Probleme. Einzig erwähnenswert war in diesem Jahr, dass mit Chirac und Schröder erstmals zwei Regierungschefs aus dem reichen Norden Forderungen nach internationalen Steuern zur Finanzierung dringender globaler Aufgaben unterstützten, wie sie seit Jahren von Globalisierungskritikern erhoben werden.
Deren vier Jahre altes „Weltsozialforum“ in Porto Alegre ist im Gegensatz zu Davos zwar tatsächlich repräsentativ für die Welt. Doch auch diese Großveranstaltung ist an die Grenze ihrer Sinnhaftigkeit gestoßen. Ohne Zweifel haben die bisherigen Sozialforen ebenso wie die Demonstrationen von Seattle 1999 gegen die Ministertreffen der Welthandelsorganisation WTO entscheidend beigetragen zur kritischen Wahrnehmung des bislang höchst ungerechten Globalisierungsprozesses in einer breiten Öffentlichkeit. Und zur wachsenden Unterstützung für die dringend erforderlichen Korrekturmaßnahmen: Entschuldung der Länder des Südens, massive Aufstockung der Entwicklungshilfe, Korrektur von Handelsungerechtigkeiten und Abbau von Agrarsubventionen in den Ländern des Nordens.
Diese Forderungen, die Globalisierungskritiker mindestens seit Ende der Neunzigerjahre erheben, wurden inzwischen längst auch von Regierungspolitikern im Norden übernommen. Jetzt kommt es darauf an, dass sie endlich auch umgesetzt werden. Das wird allerdings nur geschehen, wenn die globalisierungskritischen Gruppen ihre Ressourcen an Zeit, Geld und Arbeitskraft nicht länger für internationale Großveranstaltungen einsetzen, sondern für die beharrliche Lobbyarbeit zu Hause. Damit Chirac und Schröder dazu bewegt werden, ihre wohlklingenden Vorschläge von Davos auch umzusetzen – selbst gegen Bedenken und Widerstand der eigenen Finanzminister, der Banken und der Wirtschaftsunternehmen. ANDREAS ZUMACH