DAS VERHANDLUNGSERGEBNIS BEI OPEL GEHT ZU LASTEN DER BESCHÄFTIGTEN : Mit Aussicht auf Hartz IV
Die Euphorie ist schnell verflogen. Dabei herrschte nach dem mutmaßlichen Verhandlungserfolg des Gesamtbetriebsrats der Adam Opel AG mit dem Mutterkonzern General Motors, der den Abbau von 10.000 Stellen allein in Deutschland gefordert hatte, zunächst Zuversicht. Denn mit der geplanten Gründung von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften, in die rund 6.000 Automobilbauer noch in diesem Jahr wechseln sollen, werden betriebsbedingte Kündigungen vorerst obsolet.
Allerdings nur, falls so viele Beschäftigte überhaupt mitmachen. Und dass die „freiwillig“ ihren Arbeitsplatz aufkündigenden Arbeiter und Angestellten in dem einen Jahr ihrer Zugehörigkeit zu einer Beschäftigungsgesellschaft einen neuen Job finden werden, bezweifeln Wirtschaftswissenschaftler und Arbeitsmarktexperten aller Lager inzwischen.
Wer in eine Beschäftigungsgesellschaft wechselt und 2005 keine neue Arbeitsstelle findet, wird sich daher arbeitslos melden müssen. Und weil die Agenturen für Arbeit den Betroffenen nach einem Jahr vergeblicher Vermittlungsversuche wohl keine neuen Jobs vermitteln werden (können), wird die ehemalige Elite der übertariflich bezahlten Opel-Arbeiterschaft in zwei Jahren vermutlich zur Klasse der „Hartz-IV-Menschen“ gehören.
Diese Angst geht derzeit an allen betroffenen Standorten um. Und sie ist berechtigt, besonders in Bochum und in der strukturschwachen Pfalz. Die Abfindung, die angeboten wird, hilft nur denen weiter, die viele Jahre lang bei Opel beschäftigt waren und dabei gut verdient haben. Für die Jüngeren ist sie keine Alternative. Aber auch wer vorerst bleiben darf, geht unsicheren Zeiten entgegen. Die Verhandlungen über Standortsicherungsverträge und Beschäftigungsgarantien haben noch nicht einmal begonnen. Und ob General Motors die neue Mittelklasse bei Opel in Rüsselsheim oder bei Saab in Schweden fertigen lassen wird, ist noch völlig offen. Es kann also durchaus noch zu betriebsbedingten Kündigungen oder gar Werkschließungen kommen. Und dann werden die Betroffenen gleich arbeitslos – ganz ohne Auffanggesellschaft.
Dass die Betriebsräte dieses Teilverhandlungsergebnis, das einseitig zu Lasten der Beschäftigten geht, akzeptiert haben, ohne General Motors wenigstens eine zeitlich befristete Bestandsgarantie für alle Opelwerke in Deutschland abringen zu können, ist ein gravierender Fehler. Der Konzern hat sein Ziel dagegen in vollem Umfang erreicht: Er kann jetzt 10.000 Menschen von seinen Lohnlisten streichen – und behält alle Trümpfe in der Hand.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT