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Archiv-Artikel

DAS VERBOT VON MAXIM BILLERS ROMAN MUSS EIN EINZELFALL BLEIBEN Juristische Literaturkritik

Maxim Biller liebt klare Worte. Seine Schriftstellerkollegen überzog er schon mal pauschal mit dem Vorwurf der „Schlappschwanzliteratur“. Der Mann, privat übrigens von zivilisierten Umgangsformen, hat einen Willen zum Auf-die-Kacke-Hauen, den man selbst nicht immer hinbekommt.

Zum Beispiel nicht bei dem Prozess gegen Billers Roman „Esra“, dessen Verbot nun in der Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe verhandelt wurde. Da bleibt es bei ambivalenten Bewusstseinslagen. So findet man die Wut der Klägerin verständlich – die im Roman ausgeplauderten Details gehen wirklich weit – und kann es dennoch nicht über sich bringen, ihr nun zum Sieg zu gratulieren. Schließlich ist jedes verbotene Buch ein verbotenes Buch zu viel. Auf der anderen Seite hat man aber auch Schwierigkeiten, sich in die hehre Rolle des enttäuschten Verteidigers der Literaturfreiheit zu werfen – Maxim Biller hätte sich keinen Zacken aus der Literatenkrone gebrochen, wenn er die Handlung seines Romans verfremdet hätte. So oder so stand man bei diesem Prozess mit einem Bein im Mist.

Nun steht man, da die erste Instanz bestätigt wurde, also weiterhin im Mist des Bücherverbots. Schön ist das zweifellos nicht. Stimmt schon: Dies ist ein Einzelfall. Wahr ist aber auch: Er wirkt als Präzedenzfall. Schon im Umfeld des ersten Prozesses tauchten wie plötzlich weitere einstweilige Verfügungen gegen Bücher auf, in denen Schriftsteller Liebesbeziehungen verarbeitet haben.

Klar, die Literatur als ganze wird daran nicht zugrunde gehen. Wahr ist aber auch, dass sie immer wieder des besonderen Schutzes bedarf. Es ist schlicht zu leicht, den Vorwand des verletzten Persönlichkeitsrechts zu konstruieren – irgendjemand wird sich schon finden, der sich in dem Buch wiedererkennt; entgegen dem althergebrachten Genieglauben fallen Einfälle nicht vom Himmel.

Selbst wer in diesem Fall die Klägerin verstehen kann, tut also gut daran, sich vor pauschaler Solidarität mit Beschreibungsopfern zu fürchten. Eine aus Angst vor Klagen nur noch ausgedachte Literatur wäre schlimm. Man muss sie ja nicht gleich „Schlappschwanzliteratur“ nennen.

DIRK KNIPPHALS