DAS GRUNDGESETZ MUSS GEÄNDERT WERDEN – UM ES ZU SCHÜTZEN : Kein Freibrief für die Bundeswehr
Es besteht kein Zweifel, dass die Polizei bei vermeintlich terroristischen Angriffen mit Flugzeugen überfordert ist und ein Einsatz der Bundeswehr notwendig sein kann. Bundeswehr-Aktivitäten aber wurden im Inland nach einer langen und zu Recht heftigen Diskussion über die Notstandsgesetze Ende der 60er-Jahre äußerst restriktiv geregelt. Einsätze zur Bekämpfung terroristischer Angriffe sind deshalb bisher nicht erlaubt.
Wer heute eine Grundgesetzänderung ablehnt, argumentiert meist damit, dass bereits jetzt die Möglichkeit der Amtshilfe oder des übergesetzlichen Notstands bestünden. Beide Argumente überspielen allerdings völlig undifferenziert die von der Verfassung gezogenen Grenzen. Als zulässige Amtshilfe ist bisher allenfalls anerkannt, wenn die Bundeswehr etwa bei der Suche nach Verbrechensopfern hilft. Denn hier tritt die Armee gerade nicht als Kampfinstrument auf, Grundrechte werden nicht beeinträchtigt.
Wer nun sogar den Abschuss von Flugzeugen als Amtshilfe akzeptiert, überschreitet genau die Grenze, die bisher den Einsatz der Bundeswehr gegen Demonstranten oder beim Schutz wichtiger Gebäude verhindert hat. Setzt sich diese Rechtsauffassung durch, kann die Union ihren Antrag auf Grundgesetzänderung beruhigt zurückziehen – er wäre schlicht überflüssig. Bei Bedarf könnte Bayerns Innenminister Beckstein oder Hamburgs Innensenator Schill schon jetzt die Bundeswehr anfordern und dieser sogar selbst Befehle geben.
Noch schlimmer ist die Rechtsfigur des „übergesetzlichen Notstands“. Hier wird offen eingestanden, dass das Grundgesetz verletzt wird, aber letztlich der Zweck die Mittel heiligt. Das ist absurd. Die 1968 geschaffene Notstandsverfassung regelt die Befugnisse der Bundeswehr abschließend. Daneben kann es keinen „übergesetzlichen Notstand“ mehr geben.
Wer also die Bundeswehr im Antiterrorkampf einsetzen will, muss das Grundgesetz ändern und genau sagen, wo die neuen Grenzen liegen. Nur so können exzessive Bundeswehreinsätze im Innern wirksam verhindert werden. CHRISTIAN RATH